Es gibt mindestens zwei beste Argumente, die für ein umgewandeltes Büro sprechen: die Lage und der Mietpreis. Ex-Büro-Wohnungen kosten oft nur ein Drittel von dem, was heute für eine Neubauwohnung bezahlt werden muss - und sie liegen nicht selten mitten in der Stadt. Da sind die öffentlichen Verkehrsmittel gut verfügbar, man kommt vielleicht auch zu Fuß oder mit dem Rad zur Arbeit oder zu Freizeitangeboten. Aber nicht nur zentral gelegene Büroräume, auch große Gebäude am Stadtrand haben offensichtlich ihren Reiz, da gibt es ähnliche Vorteile.
In Brüssel stehen derzeit mehr als 21 Millionen Quadratmeter Bürofläche leer. Und Leerstand ist eine Plage, sagt Kristiaan Borret, Architekt und zuständig für die Analyse von Bauanträgen in der Hauptstadt-Region. Er spricht von einer echten Stadterneuerung, wenn man den Leerstand nutzt anstatt die Stadt auszudehnen.
Nachteile in Vorteile verwandeln
Es ist ein bisschen so wie mit dem Trend mit den Lofts - die Wohnungen in umfunktionierten Lager- oder Industrieräumen. Jetzt sind eben die Bürogebäude angesagt. Erst müssen sie saniert werden - nicht selten stammen sie aus den 50er, 60er Jahren. Sie müssen natürlich an neueste Energiestandards angepasst werden. Aber dann können daraus großzügige Zwei- bis Dreizimmerwohnungen entstehen.
Wie auch Industrieräume sind Bürogebäude per Definition nicht gebaut worden, um darin zu wohnen: Sie sind tiefer und haben weniger Tageslicht als Appartements. Auch steht vielleicht mal ein Betonpfeiler im Raum. Aber, so sagt der Städtebau-Architekt, die Herausforderung bestehe darin, die Nachteile in Vorteile zu verwandeln. So sei eine höhere Raumdecke sehr angenehm. Oft gebe es auch mehr Stauraum im Inneren. Und dann ist da natürlich auch die außergewöhnliche Sicht über die Stadt, je nachdem auf welcher Etage man wohnt; nicht selten werden die Bürogebäude bei der Sanierung auch mit Balkonen ausgestattet. In der Brüsseler Gemeinde Evere gibt es ein umgewandeltes Bürogebäude, das als Vorzeigeprojekt dient: Es hat sogar eine gemeinsame Dachterrasse für die Mieter - mit Außenküche.
Großer Bedarf
Der Trend hat auch damit zu tun, dass es vor allem in großen Städten kaum freie Wohnungen gibt. In Brüssel stehen zur Zeit 50.000 Familien auf einer Warteliste für Sozialwohnungen. Es werden aber nur 500 Sozialwohnungen jedes Jahr neu gebaut. Deshalb sind auch die Wohnungsbaugesellschaften inzwischen an Bürogebäuden interessiert. Denn die Region schreibt vor, dass ein Viertel der sanierten Objekte für Sozialwohnungen bestimmt sein müssen.
Außerdem: Abreißen und neu bauen ist teurer als sanieren - und es ist weniger nachhaltig. Neubauten brauchen viel Beton und damit viel CO2. Beim Abriss wird viel CO2 freigesetzt. Und ein Abriss sorgt immer für viel Unruhe in der Stadt.
vrt/jp