Wieder hoher Besuch bei dem überdies schon erlauchten Kreis europäischer Spitzenpolitiker in Brüssel. Und wieder einmal gefiel sich Belgiens Ex-Premierminister Charles Michel in seiner Rolle als EU-Ratspräsident darin, den hohen Gast in Brüssel in Empfang nehmen zu dürfen.
"Es ist eine große Freude", sagte Michel, nachdem er an der Seite des UN-Generalsekretärs das EU-Ratsgebäude betreten hatte, "Antonio Guterres hier beim EU-Gipfel zu empfangen. Ich möchte betonen, dass die Vereinten Nationen und die Europäische Union viele Gemeinsamkeiten haben."
Mit gutem Beispiel vorangehen
Bei den Gesprächen zwischen Guterres und den anderen Gipfelteilnehmern ging es inhaltlich vor allem um drei Punkte: Den Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen des Krieges auf die Welt, die Lage in den Entwicklungsländern und die Sorge um das Klima. Hier kam Guterres mit klaren Vorstellungen nach Brüssel. "Wir benötigen dramatische Aktionen", sagte er. "Wir müssen alles noch schneller als bisher geplant umsetzen. Dabei setzen wir wieder darauf, dass die EU mit gutem Beispiel vorangeht. So wie die EU das bei so vielen anderen Themen schon oft gemacht hat."
Nach den Gesprächen mit Guterres beim Mittagessen stand ein Austausch per Videoschalte mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj auf dem Gipfel-Programm. Selenskyj sollte die EU-Chefs auf den neusten Stand des Kriegsgeschehens in der Ukraine bringen.
Dass die EU der Ukraine Munition versprochen hat, stand vor dem Gipfel bereits fest. Trotzdem freute sich Premierminister Alexander De Croo, dass über das Thema auch noch einmal gesprochen werden sollte. Denn: "Für uns ist neben dem gemeinschaftlichen Kauf auch die gemeinschaftliche Produktion der Munition wichtig", sagte De Croo. "Unsere europäische Verteidigungsindustrie muss stärker werden." Da auch Belgien solche Industriebetriebe besitzt, ist die Forderung des Premiers nicht ganz ohne Hintergedanken.
Weitere Punkte des Gipfels: Handelspolitik und die grundsätzliche Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Aus belgischer Sicht kommentierte dazu De Croo: "Für uns ist es ein zentrales Anliegen, dass unsere Industrie wettbewerbsfähig bleiben kann. Dass wir Zugang zu bezahlbarer Energie bekommen, dass die Investitionen in Wasserstoff und Nachhaltigkeit von unserer Industrie getätigt werden können. Was hier auf dem Tisch liegt, ist nicht schlecht, aber muss noch besser werden."
Energie, Einwanderung und Euro
Beim Thema Energie geht es darum, langsam die Weichen dafür zu stellen, um die Versorgungssicherheit der EU auch im kommenden Winter zu gewährleisten.
Bezüglich der Einwanderungspolitik, über die ebenfalls noch am Donnerstag gesprochen werden soll, sagte De Croo: "Wenn wir den Schengen-Raum so wie bislang erhalten wollen, wir also wollen, dass sich Menschen weiter frei im Schengen-Raum bewegen können, dann muss man dafür sorgen, dass die Außengrenzen besser geschützt werden."
Am Freitag soll es dann um den Euro-Raum gehen, um die finanzielle Stabilität der Währungsunion.
Der Gipfel ist diesmal also kein Gipfel der ganz großen Entscheidungen. Eher ein unaufgeregtes Treffen mit Arbeitsthemen.
Aus Sicht einiger Journalisten wird der Gipfel allerdings überschattet durch die Forderung von Deutschland, das von der EU bereits beschlossene Aus des Verbrennungsmotors 2035 doch noch zu kippen. Dazu sagte De Croo: "Das ist kein Thema, was hier offiziell auf dem Programm steht. Aber wenn ich die Gelegenheit bekommen werde, mit dem Bundeskanzler zu sprechen, werde ich ihm schon sagen, dass es jetzt keinen Weg zurück mehr geben kann. Wir haben uns auf eine Richtung geeinigt und können jetzt nicht damit beginnen, an der Entscheidung zu zweifeln."
Kay Wagner