Die Lage bei Delhaize bleibt höchst angespannt, viele Supermärkte werden weiterhin ganz oder teilweise bestreikt, Arbeitnehmer und Gewerkschaften führen auch am Dienstag wieder Sensibilisierungsaktionen, um Kunden den Konflikt und seine Ursachen näherzubringen.
Der aktuell heißeste Brennpunkt ist aber eindeutig das Delhaize-Zentrallager in Zellik. Wie angespannt die Lage dort ist, sieht man schon an der Polizeipräsenz vor Ort, offenbar werden selbst gewalttätige Ausschreitungen nicht ausgeschlossen.
Bereits am Montag wurde dieses Zentrallager bestreikt. Es wurden zumindest beladene Lastwagen am Verlassen des Geländes gehindert. Ob die Folgen dieser Blockade bereits spürbar sind, bleibt aber unklar.
Einerseits werden eigentlich alle Delhaize-Supermärkte, ob nun betriebseigene oder konzessionierte, von hier aus beliefert. Andererseits nutze Delhaize seit Beginn des Konflikts auch andere, betriebsfremde Warenlager, um die Versorgung der Geschäfte aufrechtzuerhalten, so die Gewerkschaften. Ein weiteres Delhaize-eigenes Lager in Ninove operiert außerdem wohl mehr oder weniger normal im Augenblick.
Brandbeschleuniger
Das Delhaize-Zentrallager in Zellik wird aber nicht etwa von Angestellten der Supermärkte blockiert, die wegen der Konzessionierung um ihre Arbeitsplätze fürchten, sondern von der lokalen Belegschaft: Man streike nicht nur aus Solidarität, so ein Lagerarbeiter am Dienstag gegenüber der VRT, sondern auch aus Angst vor einem ähnlichen Schicksal, wenn Delhaize seine Umstrukturierungspläne durchziehe.
Delhaize fahre Gewinne ein, während die Angestellten immer zur Kasse gebeten würden, damit müsse Schluss sein.
Unmittelbarer Auslöser für die aufgeheizte Stimmung in Zellik beziehungsweise Brandbeschleuniger für das bereits glimmende Feuer waren dabei Vorfälle beim Betriebsrat am Montag.
Sicherheitsleute hätten die Arbeitnehmervertreter vor Beginn des Betriebsrats durchsucht, bestätigte die Vorsitzende der sozialistischen Angestelltengewerkschaft Setca, Myriam Delmée, am Dienstagmorgen gegenüber der RTBF.
Keine gesittete Verhandlung
Aber damit nicht genug, wie ihr Kollege Koen De Punder von der christlichen ACV-Puls ausführte: Der Sicherheitsdienst sei nämlich auch während des Betriebsrats massiv anwesend geblieben. Solche Zustände habe es in der sozialen Konzertierung noch nie gegeben.
Unter solchen Bedingungen könne man wohl kaum von ruhigen und gesitteten Verhandlungen sprechen. Erst die Durchsuchungen der Arbeitnehmervertreter und dann während des Treffens mehr Sicherheitsleute als Mitglieder des Betriebsrats – das sei Öl ins Feuer gießen.
Dementsprechend kurz und fruchtlos war das Treffen am Montag. Nach rund 15 Minuten sollen die Gewerkschaftsvertreter den Stecker gezogen haben. Dass das Personal wie Terroristen behandelt werde, sei nicht hinnehmbar, hieß es im Anschluss von den Gewerkschaften. Das sei die x-te Eskalation und Dehumanisierung der Angestellten durch die Delhaize-Geschäftsführung gewesen.
Verhärtete Fronten
Sicherlich keine idealen Voraussetzungen für den außergewöhnlichen Betriebsrat am Dienstag. Dennoch fand das Treffen zumindest statt – lange gedauert hat es aber wieder nicht.
Die Direktion beharre auf ihrem Standpunkt, fasste Koen De Punder nach Ablauf des Treffens zusammen. Heißt: Delhaize beziehungsweise die Muttergesellschaft Ahold Delhaize weist die Forderungen der Gewerkschaften zurück und hält an der Konzessionierung aller verbleibenden betriebseigenen Delhaize-Supermärkte fest.
Damit gestehe man am niederländischen Hauptsitz des Konzerns quasi ein, dass man mit Franchisenehmern das hinbekommen wolle, was Delhaize in den vergangenen zehn Jahren nicht gelungen sei: die Geschäfte rentabler zu machen. Eine schallende Ohrfeige für das Personal, so das Fazit von De Punder.
Die Fronten bleiben also weiter extrem verhärtet - wenn nicht noch verhärteter angesichts der jüngsten Vorfälle. Mit einem baldigen Ende des Sozialkonflikts ist also wohl nicht zu rechnen, eher mit einer Ausweitung der Aktionen …
Boris Schmidt