Die Angestellten des öffentlichen Dienstes haben die Nase voll, immer wieder als Prügelknaben für Einsparungen herhalten zu müssen. So könnte man, ohne übertrieben polemisch zu sein, zusammenfassen, was viele der in diesen Sektoren tätigen Menschen bewegt.
Seit einigen Jahren sei der öffentliche Dienst nur noch eine Stellschraube, um den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen, wetterte etwa Michel Meyer im Interview mit der RTBF. Er ist der Vorsitzende der sozialistischen Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes. Wenn die Regierungen nicht wüssten, woher sie das Geld nehmen sollten, werde der Rotstift eben beim öffentlichen Dienst angesetzt.
Regierungen, im Plural, denn auch wenn diese Woche wegen ihrer Haushaltskonklaven vor allem Druck auf die föderale Ebene ausgeübt werden soll, haben die Gewerkschaften alle Regierungen des Landes im Visier.
Mangel an Investitionen, Personal und Mitteln
Den Bürgern werde immer weisgemacht, dass der öffentliche Dienst mehr Arbeit leisten könne mit weniger Mitteln. Und dass die Bürger selbst dann einen besseren Service bekämen, wenn man Mittel streiche und Ämter schließe, sodass die Menschen sich immer weiter bewegen müssten für ihre Anliegen.
Es könne nicht sein, dass der öffentliche Dienst in Krisenzeiten gefeiert werde, wie etwa die Feuerwehr und Rettungskräfte während der Überschwemmungen, aber ansonsten immer nur als zu teurer Kostenfaktor betrachtet werde, so Meyer. Auch die Bevölkerung solle in dieser Hinsicht sensibilisiert werden, für das, was der öffentliche Dienst täglich leiste.
Man merke in allen Sektoren des öffentlichen Dienstes, dass der Mangel an Investitionen, der Mangel an Personal und Mitteln, die Handlungsfähigkeit der Dienste in Mitleidenschaft ziehe, unterstrich auch Chris Reniers von der sozialistischen Gewerkschaft gegenüber der VRT.
Das Personal des öffentlichen Dienstes habe es einfach satt, ständig unter so hohem Druck zu arbeiten. Der Druck sei so groß, dass eigentlich ständig etwas schiefgehen könne: einfach, weil keine Zeit sei, um die Arbeit wie vorgesehen zu verrichten.
In zahlreichen Behörden fehle sehr viel Personal, bekräftigte auch Jan Coolbrandt von der christlichen Gewerkschaft, ob nun in Flandern, in Brüssel oder auf der föderalen Ebene. Diese personellen Engpässe führten dazu, dass die Aufgaben nicht mehr erfüllt werden könnten, dass Menschen krank würden oder durch Burn-out ausfielen.
Man habe das Ende der Fahnenstange erreicht, betonte Michel Meyer, diese Woche habe gezeigt, dass in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes wirklich kein Einsparpotenzial mehr vorhanden sei.
Forderungen
Entsprechend logisch klingen dann auch die Forderungen der Gewerkschaften. Der Staat müsse dafür sorgen, dass die Personaldefizite abgebaut würden, so Jan Coolbrandt.
Um Nachwuchs anzulocken, muss ein Beruf aber auch zumindest halbwegs attraktiv sein, sprich akzeptable Arbeitsbedingungen bieten. Und auch hier drückt der Schuh gewaltig, sagen die Gewerkschaften. Heißt vereinfacht gesagt zum Beispiel: Finger weg von den Pensionsregelungen für Angestellte beziehungsweise Beamte des öffentlichen Dienstes. Denn die Gewerkschaften befürchten, dass die Föderalregierung die als Ziele für künftige Einsparungen auserkoren haben könnte und beklagen einen Mangel an sozialer Konzertierung.
Boris Schmidt