"Ein Katastrophenszenario, ein Skandal, ein Schock" - Gewerkschaftsvertretern fehlten am Dienstagmorgen die Worte. Man war schon davon ausgegangen, dass die Delhaize-Direktion die außerordentliche Betriebsratssitzung nicht einberufen hatte, um gute Neuigkeiten zu verkünden. Aber, dass es so schlimm kommen würde, hätte dann doch niemand gedacht.
Delhaize hat entschieden, sich auch von den Märkten zu trennen, die das Unternehmen bislang noch selbst verwaltete. "Unsere Leute haben heute zu hören bekommen, dass ihr Arbeitgeber ab morgen ein Franchisenehmer sein wird", fasste Jan De Weghe von der sozialistischen Angestelltengewerkschaft SETCa in der VRT die konkreten Folgen für das Personal zusammen.
Insgesamt sind 764 Filialen unter Delhaize-Flagge aktiv. Die meisten davon werden schon von Franchisenehmern betrieben. Bis auf 128 Märkte, die Delhaize noch selbst verwaltet. Die sollen ausnahmslos jetzt auch von selbstständigen Betreibern übernommen werden.
128 Filialen auf einmal auf den Markt zu werfen, das sei "erstaunlich", sagt Edwin Muller von der christlichen Gewerkschaft CSC. Hörbare Skepsis beim grünen Gewerkschafter, der sich natürlich um die Zukunft der rund 9.000 Mitarbeiter sorgt, die in besagten 128 Filialen beschäftigt sind. Denn mit jedem Markt, der am Ende vielleicht doch nicht übernommen wird, verlieren Menschen ihren Job.
Gehaltseinbußen
Doch auch für die, die am Ende weiter beschäftigt werden, bricht wohl eine neue Zeit an. "Das ist wie Tag und Nacht", sagt der sozialistische Gewerkschafter Jan De Weghe: Länger arbeiten für weniger Geld - das alles in einer neuen Organisationsstruktur.
Die frankophone SETCa-Kollegin Myriam Delmée wird in der RTBF konkreter. "Die Betroffenen müssen mit Gehaltseinbußen von um die 25 Prozent rechnen. Obendrauf ist es so, dass in diesen Franchise-Strukturen keine wirklichen Verhandlungen stattfinden, da für sie die Branchentarifverträge nicht gelten."
Die Delhaize-Direktion hat zwar versprochen, dass sich für die Betroffenen nichts ändern werde; dass sie ihren Job behalten werden und das zu denselben Konditionen wie bisher. "Das gelte aber allenfalls für eine erste Phase", wenden die Gewerkschaften ein. Was danach passiert, wenn das Medieninteresse wieder abklingt, das stehe auf einem ganz anderen Blatt.
Nicht kommen sehen
Bei alledem muss man denn auch gar nicht mehr fragen, wie die Ankündigung von Dienstagmorgen bei den Menschen angekommen ist. "Es gab sehr emotionale, auch sehr wütende Reaktionen", sagte in der VRT Wilson Wellens von der liberalen Gewerkschaft CGSLB. "Die Leute haben das nicht kommen sehen."
"Nicht kommen sehen", weil es eigentlich keinen zwingenden Grund für die Entscheidung gibt, sind die Gewerkschaften überzeugt. "Mal ehrlich, das Unternehmen Delhaize ist rentabel. Hier geht es doch nur darum, die Gewinnmargen noch weiter zu steigern, um den Aktionären zu gefallen. Das sind keine Unternehmer mehr, keine Händler; das sind nur noch Logistiker für große Marken. Das ist einfach nur ekelhaft!", sagt Myriam Delmée von der sozialistischen SETCa.
Kurz nach Bekanntwerden der Pläne der Direktion hat das Personal in den ersten Delhaize-Märkten schon spontan die Arbeit niedergelegt. Die Gewerkschaften gehen davon aus, dass sich der Streik schnell auf andere Filialen ausdehnen wird.
Roger Pint
siehe Webseite der Delhaize : "Compliance @ Delhaize
Delhaize accorde énormément d’importance à l’éthique et au respect des lois et réglementations applicables. Notre Code éthique énonce 4 principes éthiques qui reflètent notre travail quotidien :
Nous nous respectons les uns les autres
Nous respectons la loi
Nous agissons de manière éthique avec toutes nos relations
Nous avons le courage de prendre la parole"
...und dan sowas...
Das Vorgehen kann man nur als 'kultivierung geistiger Armseligkeit' bezeichnen !