Schlaftabletten sind sehr tückisch. Denn sie wirken – zumindest auf den ersten Blick – schnell und zuverlässig, sind also eine sehr verlockende Option für Menschen, die unter Schlafmangel oder Einschlafschwierigkeiten leiden.
"Wir leben immer mehr in einer sogenannten 'Quick fix'-Gesellschaft", ist die Schlafexpertin Inge Declercq überzeugt. "Quick fix" ist englisch für "schnelle Lösung", immer mehr Menschen wollten also einfach Pillen gegen ihre Probleme haben, erklärte die Neurologin des Universitätskrankenhauses Antwerpen in der VRT. Eine solche "schnelle Lösung" gebe es aber nicht, Schlafprobleme hätten meist sehr komplexe Hintergründe.
Schlaf mit Hilfe der üblichen Schlafmittel sei auch eine ganz andere Art von Schlaf als der normale, physiologische, erholsame Schlaf. Deswegen beobachte man bei Schlafmittel-Konsumenten auch so oft eine Art Kater-Effekt. Und das sei nur eine der Kurzzeitfolgen.
Besonders ältere Menschen, die Schlafmittel nähmen, fielen manchmal nachts leichter hin, weil sie benommen seien, so Koen Straetmans, Vorsitzender der Apothekerverbandes APB. Die Mittel könnten tagsüber auch zu verringerter Aufmerksamkeit und Wachsamkeit im Verkehr führen - und damit zu Unfällen. Bei langer Nutzung hätten Studien auch einen zumindest statistischen Zusammenhang nahegelegt mit Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen, so Declercq.
Nach nur zwei Wochen sei man außerdem schon abhängig von Schlaftabletten, so die Neurologin. Diese Menschen könnten dann quasi nicht mehr ohne das Mittel einschlafen. Außerdem gewöhne sich der Körper an die Mittel, man brauche also immer höhere Dosen, um den gleichen Effekt zu erzielen.
Zusammengefasst: Die Abhängigkeit von Schlafmitteln ist ein ernstzunehmendes Problem. Das ist natürlich auch dem Gesundheitsministerium bewusst. Deswegen ist nun ein Pilotprojekt angelaufen, bei dem Apotheken dabei helfen sollen, den Konsum von Schlafmitteln zu reduzieren.
Dafür brauche ein Patient zunächst eine entsprechende Verschreibung von seinem Hausarzt, führte der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke aus. Mit diesem Rezept gehe der Patient zur Apotheke. Der Apotheker mische dann immer weiter abnehmende Dosierungen des Schlafmittels für den Patienten. Das Ziel: Schritt für Schritt sollten die Menschen lernen, mit weniger Schlafmittel auszukommen – und dennoch einen gesunden Schlaf zu haben, so Vandenbroucke.
Die Apotheker sollen aber nicht nur – in Absprache mit den Hausärzten wohlgemerkt – die Tabletten herstellen, wie Apothekerin Ann-Katrien Morlion erklärte. Zu ihren Aufgaben wird auch gehören, die Patienten zu begleiten, sie zu motivieren und zu schauen, ob das Verfahren anschlägt.
Das Pilotprojekt ist zunächst auf ein Jahr begrenzt. Kosten sollen den Patienten dabei – abgesehen vom Preis für das ursprüngliche Medikament – keine entstehen, denn für die Herstellung der progressiv schwächeren Schlaftabletten werden die Apotheker von den Krankenkassen entschädigt werden.
Boris Schmidt