Auch wenn es vielen nicht nur in Belgien mittlerweile wie eine Selbstverständlichkeit vorkommt: Menschen haben noch gar nicht so lange das Recht, ihre gleichgeschlechtlichen Partner offiziell, also gesetzlich anerkannt, zu heiraten. Und auch wenn die frühen 2000er-Jahre in Sachen LGBTQ+-Rechte natürlich Welten entfernt waren von der Unterdrückung früherer Jahrzehnte, so war das sogenannte "Gesetz zur Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts" dennoch auch 2003 noch ein kontrovers diskutiertes Thema.
Weltweit gab es nur einziges Land, das die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare erlaubt hatte: die Niederlande. Und auch dort war das damals erst seit etwa zwei Jahren möglich. Die entsprechende Gesetzesinitiative in Belgien kam damals von Agalev (Anders Gaan Leven), der Vorgängerpartei der flämischen Groen-Partei, genauer gesagt von der damaligen Ministerin für Volksgesundheit, Magda Aelvoet. Das sei eine Prinzipienfrage gewesen, so Aelvoet bei Radio Eén. Im Kern sei es darum gegangen, dass diese Menschen die gleichen Rechte hatten wie alle anderen – und diese eben auch bekommen mussten.
Die Grünen fanden es sehr wichtig, dass die Ehe für alle Paare möglich wurde, bestätigte auch Christine Grauwels, damals Agalev-Kammerabgeordnete. Denn es habe sich um ein sehr starkes Symbol gehandelt, dass stabile und liebevolle Beziehungen aller Paare gleich viel wert sind. Nur weil solche Menschen eine Minderheit darstellten, bedeute das nicht, dass sie ihre Rechte deswegen nicht ausüben dürften, unterstrich auch Aelvoet. Ihr Kabinett habe damals auch intensive Kontakte zur Homosexuellen-Szene gehabt. Dabei sei deutlich geworden, dass diese Gleichstellung beziehungsweise die Möglichkeit einer gesetzlich anerkannten Heirat vielen dieser Menschen ein echtes Bedürfnis war. Ein Bedürfnis, das, laut Aelvoet, allerdings auch für viele damalige Regierungsmitglieder keine hohe Priorität hatte. Auch wenn hinterher viele den Erfolg mitbeansprucht hätten, so habe es bei den Beratungen zwischen den Kabinetten oft nicht allzu viele eifrige Mitstreiter gegeben. Lediglich die flämischen Liberalen hätten wie Agalev entschlossen für die Ehe für alle gekämpft.
Widerstand habe es vor allem aus der frankophonen Ecke, genauer gesagt von den frankophonen Liberalen gegeben. Unter anderem sie hätten fundamentale Bedenken gegen den Begriff "Ehe" gehabt und stattdessen lange und hartnäckig die Formel einer "eingetragenen Partnerschaft" bevorzugt. Damit wollten sich die Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe aber nicht abfinden. Ihre Antwort habe gelautet: Diese Menschen haben das gleiche Recht zu heiraten wie alle anderen auch. Aber nicht nur das - die Befürworter führten auch handfeste praktische Gründe ins Feld. Eine Ehe sei auch die einfachste Möglichkeit gewesen, um das gesetzlich zu verankern beziehungsweise zu regeln. Wäre man bei "eingetragenen Partnerschaften" geblieben und hätte man dennoch eine Gleichbehandlung haben wollen, beispielsweise in puncto Renten und Soziale Sicherheit, dann hätte man dafür nicht weniger als 1.300 Gesetze anpassen müssen. Ein Argument, das schließlich überzeugt habe…
Bis zur ersten tatsächlichen Eheschließung dauerte es aber dennoch noch ein paar Monate, um die letzten juristischen Hindernisse aus dem Weg zu räumen: Am 6. Juni 2003 konnten sich dann aber schließlich als erste in Belgien zwei Frauen offiziell das Ja-Wort geben. Mittlerweile werden jedes Jahr zwischen 1.100 und 1.200 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen.
Boris Schmidt