Während das Land auf Vande Lanotte wartet, sonnt sich Bart de Wever bei "De Slimmste Mens", der Promi-Quizshow, die ihn bekannt gemacht hat. Das sagt eigentlich alles.
Obwohl: für den Zeitpunkt der Ausstrahlung konnte er nichts, die Sendung war aufgezeichnet. Er tat dann beleidigt, weil man ihm den Auftritt vorwarf. Wahrscheinlicher dürfte sein, dass er innerlich jubelte, es den anderen wieder mal gezeigt zu haben, wie man sein Image als Rebell pflegt.
All seine Kontrahenten voll im Stress, und er bei Spiel und Spass. Als der geborene Spieler schickt er den frisch gekürten CD&V-Chef Wouter Beke vor - und dieser läuft prompt ins Messer.
Am Abend danach hat er sogar doppelt Glück, hatten doch Di Rupo und sein Kronprinz Magnette erklärt (auf dem gleichen Bildschirm, auf dem etwas später das Quiz begann), die Verhandlungen könnten auf die Liberalen erweitert werden: Welch stiller Triumph für de Wever.
Noch ist dem Spieler das Spielglück hold, auch wenn der flämische Arbeitgeberverband inzwischen mit verhaltenem Unmut nicht zurückhielt. De Wever hat die Kritik verstanden und zeigt Besorgnis über die sozialwirtschaftlichen Probleme. Und verbindet dies mit der Ankündigung, die beiden Lokomotiven müssten wieder ran, also er und Di Rupo, und wenn Di Rupo das nicht wolle, dann er allein.
Man darf sich keinen Illusionen hingeben: Morgen wird es kein Abkommen geben, und nächste Woche auch nicht. Und eine Krisenregierung, für die es im niederländischen den Begriff "noodregering" gibt, will De Wever auf keinen Fall. Dann drohe wieder staatsreformerischer Stillstand. Und da De Wever ja keine Wähler verlieren will - das hat er so gesagt, im Spiegel-Interview - kommt eine "Notregierung" für ihn nicht in Frage. Im deutschen gibt es dafür übrigens keinen Begriff, am ehesten noch den einer "Regierung nationaler Einheit".
Aber haben wir eine solche Regierung nicht bereits? Natürlich haben wir sie bereits, es genügt, endlich klar zu machen, dass eine geschäftsführende Regierung nicht nur die laufenden Geschäfte führen darf und soll, sondern auch die dringenden. Die dringenden muss sie sogar führen. Es gibt genug Staatsrechtler, die dafür den Unterbau liefern. Und dass die Scheune zwar noch nicht brennt, die Lunte aber glimmt, ist inzwischen deutlich geworden.
Es ist also Zeit für das föderale Parlament, rechtmäßig gewählt, sich ein Herz zu fassen. Man wird einwenden, das sei nicht normal, aber wir erleben ja auch keine normalen Zeiten. Man wird einwenden, das sei schwierig, man kann entgegnen, das sei eine phantastische Gelegenheit, einmal die parlamentarische Demokratie so zu gestalten, wie die Gründerväter sie erdacht haben: mit einem Parlament, das Gesetze erarbeitet und durch eine Regierung ausführen lässt, statt einer Regierung , die sich ihre Entwürfe im Parlament absegnen lässt, wie es allzu oft der Fall ist.
Wenn also der Eindruck einer "noodregering", beispielsweise für Haushalt und Pensionssicherung, vermieden werden muss - für N-VA und ihr Anhängsel CD&V eine unannehmbare Vorstellung - hindert niemand das Parlament daran, initiativ zu werden und fraktionsübergreifend selbst einen Haushalt zu schnüren und die Leterme-Regierung mit der Ausführung zu beauftragen.
Zu ethischen Fragen ging das doch, weshalb dann nicht zum Haushalt, um so die Gefahr, die von den Finanzmärkten droht, zu entschärfen. Es hätte auch mit Ethik zu tun. Es wäre zudem soviel eleganter, als die Regierung dazu zu ermächtigen. Und es steht nicht nur ein Parlament zur Verfügung und eine Regierung für dringende Aufgaben, es gibt auch noch die Sozialpartner: Niemand hindert sie daran, ihre offenen Fragen im Rahmen ihrer Autonomie selbst zu lösen.
Und glücklicherweise gibt es die Regierungen der Gliedstaaten, eine Garantie, die Vande Lanotte übrigens in seinem Papier aufs Spiel setzte: alle Wahlen zum gleichen Zeitpunkt, wie von Vande Lanotte vorgeschlagen, das wäre für ein Land wie Belgien der Gau. Denn dann würde bei der nächsten Krise ein viel größeres Vakuum drohen.
Instrumente gibt es also, für das Navigieren auf Sicht (eine andere Form des Navigierens ist ohnehin nicht möglich) - mit einem Parlament, dass nur solche Gesetze verabschiedet, die wirklich dringend sind. Das hätte sogar einen willkommenen Nebeneffekt, den viele Bürger begrüßen würden: nur das Notwendige, kein Aktionismus.
Die Bürger wären ohnehin die letzten, die sich über Feinheiten der demokratischen Legitimierung aufregen würden. Die Sieger der letzten Wahl müssten sich ohnehin mit Einsprüchen zurückhalten, haben sie sich doch noch nicht für ihren Einsatz qualifiziert.
Wetten, dass Yves Leterme nichts lieber täte, als dabei als Regierungschef mitzumachen? Und wetten, dass Didier Reynders einen Sparhaushalt umsetzt, wenn er sich am Verhandlungstisch für die nächste Regierung positionieren kann? Wetten, dass es so oder so ähnlich kommt? Hoffentlich, denn Neuwahlen, das wäre wirklich zu billig.