Dass die Verbraucher nicht mehr nur einem Supermarkt treu sind, sei eine Entwicklung, die in den letzten Jahren immer deutlicher geworden sei. Pierre-Alexandre Billiet, CEO der Konsum-Plattform Gondola, erklärte der Tageszeitung L'Avenir, dass die Verbraucher schon seit einiger Zeit sehr unbeständig seien. Der Beweis dafür sei, dass die meisten von ihnen die Kundenkarten der drei größten Einzelhändler des Landes besitzen.
Gondola stellte außerdem fest, dass sich die Konsumtrends noch schneller ändern als früher. Während es vor einigen Jahren noch Monate dauerte, bis ein Belgier sein Geschäft wechselte, dauert es heute nur noch wenige Wochen, bis er sein Verhalten ändert. Und Billiet nennt auch ein konkretes Beispiel: den Bio-Sektor. Der Sektor wuchs vor Covid, explodierte während der Gesundheitskrise und fiel dann wieder zurück. Innerhalb weniger Wochen ging das Wachstum von +15 Prozent auf -15 Prozent zurück.
Für Verbraucher stünden vor allem zwei Dinge im Fokus, erklärt Billiet. Zum einen die niedrigsten Preise. Diese Verbraucher bevorzugen Discounter wie Aldi und Lidl. Zum anderen aber auch die Bequemlichkeit. Das sind Verbraucher, die keine Zeit haben, Kinder haben, viel arbeiten und deshalb schnell und bequem einkaufen wollen. Da kommt der Online-Handel ins Spiel. Billiet nenn hier Ahold Delhaize als Beispiel, die genau auf diese Kunden setzen.
Die ewige Nummer eins in Belgien ist Colruyt. Aber auch diese Supermarktkette bekommt das veränderte Kaufverhalten zu spüren. Das Problem von Colruyt sei, dass die Supermarktkette sich zwischen den Hard-Discountern, die sehr niedrige Preise anbieten, und den anderen Ketten wie Carrefour oder Delhaize, die sich durch ihre Eigenmarken und derzeit sehr starke Sonderangebote auszeichnen, bewege. Colruyt befinde sich in der Mitte von all dem, sagt Isabelle Schuiling, Professorin für Marketing an der UCLouvain. Sie nennt den Supermarkt einen "Soft-Discounter".
Colruyt versucht aber, an seiner Niedrigpreisstrategie festzuhalten. Trotz steigender Kosten für Energie, Transport und Personal will Colruyt diese Kosten nicht auf den Kunden übertragen - das belastet aber natürlich auf der anderen Seite die Gewinne. Colruyt verzeichnete einen Rückgang des Nettogewinns auf unter 90 Millionen Euro, verglichen mit 162 Millionen Euro im Vorjahr.
Problematisch ist auch, dass Colruyt ein belgisches Unternehmen ist und aktuell auch den internationalen Druck zu spüren bekommt. Denn andere in Belgien aktive Unternehmen, wie zum Beispiel Ahold Delhaize, agieren auch im Ausland. Dort organisieren sie einen Teil ihrer Aktivitäten, wo die Arbeitskosten niedriger sind als in Belgien und die Besteuerung niedriger. Um zu überleben, müsse sich ein belgischer Akteur wie Colruyt unbedingt neu erfinden, indem er sich an die Konkurrenz anpasse, kleinere Geschäfte einrichte und den E-Commerce weiter ausbaue, so Billiet.
avenir/lo