Aus medizinischer Sicht lautet die Antwort eindeutig: Kälte allein führt nicht zu Atemwegskrankheiten. Die werden durch Erreger, also durch Viren oder Bakterien, auslöst. Kälte kann zwar krank machen - aber auf andere Weise, etwa durch Unterkühlung, die zu Durchblutungsstörungen und Sauerstoffunterversorgung bis hin zum Tod führen kann.
Weshalb ist denn tief in unserer Vorstellung verankert, dass man krank wird, weil man sich "verkühlt" oder "erkältet" hat? Das liegt an der begrifflichen Herkunft, die schon auf die alten Römer zurückgeht. "Frigore tactum esse" heißt auf Lateinisch an einer Erkältung leiden und darin steckt das lateinische Wort "frigidus" - zu deutsch: kalt - und von da aus hat es die Vorstellung "ich habe mich verkühlt, deshalb habe ich eine Erkältung" in viele Sprachen geschafft. Auf Englisch sagt man zum Beispiel "I have a cold" oder auf Französisch heißt es "attrapper froid".
Dennoch ist nicht zu leugnen, dass man im Winter viel häufiger unter Halsweh, Husten und Schnupfen leidet als im Sommer. Der Grund: Die Kälte verstärkt alle anderen Faktoren, die den Ausbruch von Infektionen begünstigen.
Erstens: Im Winter hocken alle viel mehr drinnen - und häufig in schlecht gelüfteten Räumen. Gerade auch jetzt, wo die Heizkosten so explodieren, haben viele Menschen Angst, beim Lüften zu viel Kälte in die Wohnung zu lassen. Aber spätestens seit Corona wissen wir ja, dass Atemwegsinfektionen über die Luft übertragen werden.
Der zweite Grund ist: Kälte schwächt das Immunsystem. Im Winter muss der Körper viel mehr Energie aufwenden, um die optimale Temperatur von etwa 36,5 Grad zu halten. Dieser erhöhte Energiebedarf lässt einen schneller ermüden und macht anfälliger für Infektionen.
Und der dritte Grund ist, dass die Schleimhäute im Winter zu trocken sind. Das kommt sowohl durch die Kälte als auch durch die Heizungsluft drinnen. Schleimhäute sind der erste Schutzwall gegen Viren und Bakterien, wenn sie aber trocken sind, können sie diese Aufgabe nicht gut erfüllen. Erreger haben also leichtes Spiel, in die Atemwege vorzudringen.
Nicht (zu sehr) beim Heizen sparen
Hohe Energie- und Heizkosten bringen in der aktuellen Situation viele Menschen dazu, dass sie ihre Wohnungen nur sehr bescheiden heizen oder die Heizung gar nicht aufdrehen - das ist aber nicht empfehlenswert.
Von Raumtemperaturen von 15 Grad und weniger ist dringend abzuraten - denn das ist anstrengend für den Körper, ändert nichts daran, dass die Luft irgendwann verbraucht ist und obendrein schafft es neue Probleme, denn bei so niedrigen Temperaturen macht sich gerne Schimmel breit.
Eine Raumtemperatur von 19 Grad, die jetzt in Behörden, Universitäten und auch in vielen Unternehmen praktiziert wird, ist schon die untere Grenze.
RS-Virus macht sich breit
Derzeit gibt es eine sehr starke Welle an Atemwegserkrankungen, ausgelöst durch das RS-Virus. Vor allem Kinder erkranken schwer. Das geht laut Virologen auf die langen Isolationsmaßnahmen während der Pandemie zurück. Normalerweise kommen schon Kleinkinder zum ersten Mal mit dem RS-Virus in Kontakt. Durch die Kontaktbeschränkungen wurde das verhindert, so dass jetzt gleich mehrere Jahrgänge gleichzeitig ihre erste Infektion mit dem Virus nachholen. Auch die Heftigkeit der Erkrankungen geht darauf zurück.
Ähnlich verhält es sich bei den Erwachsenen, denn bei vielen Viren ist es so, dass man sich immer wieder neu immunisieren - also eine Infektion durchmachen - muss. Zurzeit trifft das RS-Virus auf eine größere Zahl an Leuten, die keinen guten natürlichen Schutz mehr haben, weil ihre letzte Infektion damit schon zu lange zurückliegt. Und deshalb erwischt es viele auf einmal.
rtbf/dlf/sh/km