Diese Maßnahme soll mehr als ein Marketinggag sein. Denn für Menschen, die sehr empfindlich auf Menschenmengen und Lärm reagieren, kann ein Besuch im Supermarkt eine ziemliche Tortur sein: laute Musik, grelles Licht und regelmäßige (Werbe-)Durchsagen über das Mikrofon. Deshalb soll man ab sofort zwei Stunden pro Tag "stimulationsarm" einkaufen können, wie es heißt.
Das betrifft auch Durchsagen des Personals untereinander. Zur Not müssen Kollegen sich telefonisch kontaktieren. Das Konzept gibt es bereits in den Carrefour-Geschäften in Frankreich und findet nach Angaben der Handelskette großen Anklang.
Die Maßnahme gilt allerdings nur für die eigenen Geschäfte von Carrefour, die sogenannten Hypermärkte. Wenn es sich um ein Franchise-Geschäft handelt, hat der Betreiber die Wahl, ob er sich an der Initiative beteiligen möchte oder nicht.
Einige kontaktierte Geschäftsführer von Carrefour-Märkten in Ostbelgien zeigten sich überrascht. Von der Aktion hatten sie noch nichts gehört. Wer also "stimulationsarm" einkaufen möchte, müsste in Ostbelgien nach Malmedy fahren. Doch es gibt ja auch andere Supermarktketten, die keine Musik laufen lassen.
Laut Carrefour reagieren 100.000 Menschen in Belgien sehr empfindlich auf Menschenmengen und Lärm. Die Flämische Autismus-Vereinigung hat sich bezüglich dieser neuen "Stillen Stunden" zu Wort gemeldet. Pressesprecherin Sofie Deparcq erklärte, dass es für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung schon so anstrengend genug sei, sich in einem Geschäft zurechtzufinden und mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Wenn andere Reize wegfallen, sei das eine große Hilfe für sie.
Nicht alle Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung sind allerdings davon betroffen. Es gibt laut Sofie Deparcq auch Betroffene, die sogar ganz bewusst nach Reizen suchen. Aber die meisten können diese Reize nicht filtern, sodass sie alle auf einmal eintreffen: Licht, Farben, Geräusche. Das wird schnell zu viel. Und wenn man dann auch noch einkaufen muss, ist es übermächtig.
Es gibt auch andere Bereiche, wo man auf "Stille Stunden" setzt. In St. Niklaas gab es letzten Sommer zum Beispiel sogar einen reizarmen Tag auf der Kirmes. Also ohne die grellen Lichter, Musik und Dauerdurchsagen am Mikrofon. Das war sehr gut angenommen worden.
Tendenziell gibt es immer mehr Reize, die auf die Menschen einwirken. Gut möglich, dass dann auch immer mehr Menschen unter einer Reizüberflutung leiden werden. Solche "Stillen Stunden" könnten dem entgegenwirken.
vrt/standaard/mz/fk
Für die "NT's" (= neurologisch typische Menschen) vermutlich kaum nachvollziehbar: Musik, Durchsagen, lautes Reden, GSM- Gebimmel. Gerüche, Geräusche, helles Licht, persönliche Ansprachen ("haben Sie ne Kundenkarte?" o. ä.), Angucken/ Anstarren, Menschenmassen oder Hektik sind für Hochsensible und die meisten Autisten ein kaum zu bewältigendes Hindernis. Oft fehlt dann nur noch eine Kleinigkeit und die Überlastung macht sich in einer Überreaktion (autistischer Meltdown z. B.) Luft.
Deshalb begrüße ich diese "Stillen Stunden" sehr und hoffe, das auch andere Geschäfte den Versuch wagen.