Nach dem Erscheinen von Kardinal Daneels vor den Mitgliedern des parlamentarischen Sonderausschusses gestern, war die Anhörung des amtierenden Erzbischofs von Brüssel-Mechelen, Monsignore Léonard heute mit Spannung erwartet worden.
Genau wie Gottfried Danneels gestern, wies Léonard heute seinerseits persönliche Verantwortung für sexuelle Missbrauchsfälle in die Priester verwickelt waren oder sind mit Nachdruck von sich.
Er stelle sich aber dennoch in gleich drei verschiedenen Eigenschaften den Fragen der Ausschussmitglieder, erklärte Monsignore Léonard zum Beginn der Anhörung. Als ehemaliger Bischof von Namur, als amtierender Erzbischof von Brüssel-Mechelen und als jetziger Vorsitzender der belgischen Bischofskonferenz. Doch genau wie Kardinal Danneels gestern, wies auch Erzbischof Léonard heute direkt darauf hin, dass er nur für sein Bistum Verantwortung trage - und nicht für das verantwortlich gemacht werden könne, was in anderen Bistümern geschehe
Transparenz
Erzbischof Léonard ging dann auf die Bemühungen ein, die darauf abzielten eine möglichst große Transparenz im Bezug auf Pädophiliefälle in der Kirche zu schaffen. Er bedauerte gleichzeitig, dass gerichtliche Ermittlungen, wie die Hausdurchsuchungen in Gebäuden des Erzbistums dazu führten, dass kircheninterne Untersuchungen nicht fortgesetzt werden konnten.
Ihm selber sei in der Zeit seit seiner Ernennung zum Erzbischof kein einziger Fall von pädophilen Priestern in seinem Bistum zur Kenntnis gebracht worden, so der Erzbischof weiter. Der wies dann mit Nachdruck nochmals darauf hin, dass er persönlich auch gar keine Handhabe gegen Priester habe, die nicht zu seinem Bistum gehören. Ihm seien oft die Hände gebunden - dann nämlich, wenn für die Justiz Fälle sexuellen Missbrauchs verjährt sind und die Opfer auch überhaupt nicht beabsichtigen gerichtliche Schritte gegen ihren Peiniger zu unternehmen.
Fonds für Opfer - Justiz muss Schadenersatz klären
Eine Antwort auf die Frage, ob die katholische Kirche Belgiens mögliche Schadensersatzzahlungen an Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester leisten solle, blieb Erzbischof Léonard schuldig. Er verwies an die Justiz, die entscheiden müsse, ob solche Zahlungen durch die Kirche zu leisten sind. Die katholische Kirche ist allerdings bereit, einen freiwilligen Beitrag beizusteuern für einen Opfer-Fonds. Mit dem Geld könnten Missbrauchsopfer entschädigt werden. Léonard ist jedoch nur zu der Zahlung bereit, wenn sich auch andere Organisationen und Einrichtungen an dem Fonds beteiligen. Grundsätzlich will Léonard die Schadenersatzfrage aber von den Gerichten klären lassen.
Note "mangelhaft"
Was der Primas der katholischen Kirche des Landes heute bei seiner Anhörung auch ausführte, vielen Ausschussmitgliedern reichte das nicht. Kein strukturelles Vorgehen gegen pädophile Priester, keine Garantie, dass sie auch bei Geständnissen sofort aus ihrem Amt entfernt werden oder ihnen der Kontakt zu Kindern entzogen wird, so zahlreiche Parlamentarier. Zu viele Beispiele zeigten, dass ein derartiges Handeln der katholischen Kirche im Land nicht die Regel ist. Die meisten Mitglieder des parlamentarischen Sonderausschusses für sexuellen Missbrauch durch Geistliche gaben Erzbischof Léonard für seine Ausführungen heute dann auch enttäuscht die Note mangelhaft.
ah/sh - Bild:belga archiv