Allen Unkenrufen zum Trotz hat Belgien in den jetzt zu Ende gehenden sechs Monaten als Dirigent im Konzert der 27 EU-Mitgliedsstaaten recht gut jongliert, diplomatisch agiert und Konsens beziehungsweise Kompromisse in einer ganzen Reihe von Bereichen zustande gebracht.
Unter belgischem EU-Ratsvorsitz wurde dafür gesorgt, dass die Finanzmärkte zukünftig besser kontrolliert und beaufsichtigt werden, dass man Spekulationsfonds, denen man eine Mitschuld für die Bankenkrise gibt, ebenfalls schärfer unter die Lupe genommen werden und dass ein EU-Budget für 2011 doch noch unter Dach und Fach gebracht werden konnte.
Eine positive Bilanz also. Das Wichtigste aber, so erklärt der scheidende Premierminister Yves Leterme im BRF-Interview, sei der Umstand, dass man mitgeholfen habe, effizientere Entscheidungsprozesse für die europäischen Einrichtungen auf den Weg zu bringen.
Belgien habe nicht versucht, seinen Willen aufzuzwingen, sondern es sei vielmehr gelungen, in über 50 anhängenden Aktenstücken einen Beschluss möglich zu machen. Leterme führt hierzu den Kompromiss zum EU-Budget an. Hier schlussendlich eine gemeinsame Linie und einen Kompromiss gefunden zu haben, das lasse sich sehen, meint der Premier.
Noch nicht gelöst sind derweil die Probleme, die hierzulande auf nationaler Ebene etwa in Etatfragen durch das Fehlen einer neuen handlungsfähigen Regierung entstanden sind. Im kommenden Jahr werden Leterme und seine Ressortchefs mit Haushaltszwölfteln arbeiten müssen, weil die geschäftsführende Regierung keinen Staatshaushalt für 2011 vorlegen konnte. Doch Premier Leterme gibt sich zuversichtlich: Die Bürger brauchten sich keine Sorgen zu machen, da ein Entgleisen des Staatsetats verhindert werde. Das, was Anfang der 80er Jahr schief ging, werde sich nicht wiederholen, so Leterme.
Es sei die Ironie des Schicksals, doch das Arbeiten mit Haushaltszwölfteln habe einen nicht zu unterschätzenden Spareffekt. Der ließe sich auf mehrere hundert Millionen Euro beziffern, sagt Leterme, der aber weiß, dass im Etat 2011 ein Loch von mehreren Milliarden klafft. Auch deshalb ist das Resümee des scheidenden Regierungschefs: Das Land braucht so rasch wie möglich eine neue Regierung. Neuwahlen sind keine Lösung. Sie würden zudem möglicherweise für Unruhe an den Finanzmärkten sorgen, so Yves Leterme.
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