Nazir Mukhtarzada ist einer der Afghanen, die vor einem Jahr aus ihrer Heimat vor den Taliban nach Belgien flüchten konnten. Nazir hatte für die belgische Botschaft in Afghanistan gearbeitet. Im Zuge der belgischen Rettungsaktion Red Kite wurde er zusammen mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern ausgeflogen.
Mittlerweile wohnt die Familie in einer Gemeinde bei Kortrijk. Nazir, seine Frau und die mittlerweile drei Kinder sind offiziell als Asylanten anerkannt. Nazir hat begonnen, Arbeit für sich zu suchen. Als gelernter Gabelstaplerfahrer ist das kein großes Problem.
Gerade in Flandern bekommen viele geflüchtete Afghanen relativ schnell einen Job. Das zeigen Zahlen aus einem Bericht der VRT, in dem Nazir mit seiner Familie porträtiert wird.
Schweigen aus Angst um die Familie in Afghanistan
Dabei zu sehen ist auch Nazirs Frau, allerdings nur von hinten. Sie will bewusst nicht erkannt werden, auch nicht sprechen mit den Journalisten, sagt ihr Mann Nazir. Und erklärt: "Sie hat Angst, dass etwas passieren könnte mit ihrer Familie in Afghanistan."
Als Nazir das sagt, hakt die Journalistin nach. Wie sehr das Leben von der Familie seiner Frau denn von den Taliban beeinflusst werde, will sie wissen. Nazir weicht aus, lächelt zwischendurch verlegen, als er sagt: "Es ist besser, wenn wir nicht über die Taliban sprechen. Ich kann da nichts sagen. Denn wenn ich etwas sagen würde, könnte meine Familie in Afghanistan Probleme bekommen. Mein Bruder, mein Vater, meine Mutter. Es könnte schwierig für sie werden.“
Eine Antwort, die Bände spricht, und nicht allein steht für die Furcht, die Afghanen auch hier in Belgien noch vor den Taliban haben, tausende Kilometer von ihnen entfernt.
Ein anderes Beispiel ist Norullah Ahmadzai, allerdings ein ganz anderes. Als 13-Jähriger hatten ihn seine Eltern weggeschickt aus Afghanistan, erzählt er. Zusammen mit seinem ein Jahr älteren Bruder sollte er nach Europa gehen. Sein Bruder sei auf der Flucht in der Türkei ertrunken, erzählt der heute 17-Jährige. Er selbst habe es vor einem Jahr endlich geschafft, nach Belgien zu kommen.
Trotz Arbeit keine Zukunft in Belgien
Zurzeit wohnt Norullah in einem Asylzentrum bei Brüssel. Auch er hat schon Arbeit gefunden, arbeitet in einer Pizzeria, in der auch noch andere Afghanen einen Job bekommen haben.
An die Taliban hat er schlechte Erinnerungen. Er erzählt: "Einige Menschen haben keinen Respekt vor anderen Menschen. Ich habe es selbst gesehen, wie die Taliban meinen Vater geschlagen haben. Das war sehr sehr schlimm für mich. Mein Vater war 48 Jahre alt. Die Taliban waren fast noch Kinder, 18, 19 Jahre alt.“
Norullah hat Flämisch in der Schule und beim täglichen Sprechen mit Menschen gelernt. Arbeit ist für ihn selbstverständlich, sagt er. Er lacht viel, während er mit der VRT-Journalistin spricht.
Auch, als er von seiner aktuellen Sorge berichtet. Er sagt: "Ich habe Angst um meine Zukunft. Ich bin jetzt ein Jahr hier in Belgien. Und jetzt habe ich einen negativen Bescheid zu meinem Asylantrag erhalten. Ich weiß nicht, was jetzt aus mir werden wird.“
Kay Wagner