Es ist ziemlich paradox mit dem Wasser: Auf die verheerenden Fluten des letzten Jahres folgte dieses Jahr eine ebenfalls höchst schädliche, extreme Trockenperiode.
Es sei wirklich ein großes Dilemma, sagt der Direktor von AquaFlanders, dem Dachverband der flämischen Wasserversorgungsunternehmen: Global, also über das ganze Jahr betrachtet, gebe es eigentlich keinen Wassermangel, so Carl Heyrman gegenüber der VRT. Das Problem sei, dass sich das Wasser beziehungsweise die Niederschläge nicht gleichmäßig über das Jahr verteilten. Und auch wenn es jetzt zu regnen beginne, müsse man doch weiter ein wachsames Auge auf die Wasserstände haben.
Um die Vorräte zu schonen und nicht in größere Probleme zu kommen, wurde ja auch immer wieder dazu aufgerufen, möglichst sparsam mit dem Wasser umzugehen. In manchen Gemeinden der Wallonie und Ostbelgiens musste der Wasserverbrauch von den Behörden auch ganz offiziell reglementiert werden, um die Ressourcen nicht zu überlasten.
In diesem Zusammenhang war in verschiedenen Medien auch immer wieder vom hohen Wasserverbrauch der Belgier die Rede. Doch so einfach ist das Ganze gar nicht, wie Cédric Prevedello, wissenschaftlicher Berater des wallonischen Wasserverbandes AquaWal, in der RTBF erklärte. Denn wie eigentlich immer bei Statistiken muss man sehr vorsichtig sein, worüber man da eigentlich genau redet.
Im Durchschnitt verbrauchten die Belgier heute pro Kopf und pro Tag in etwa 90 Liter Trinkwasser, mit nur sehr leichten Unterschieden zwischen den Regionen. 85 Liter sind es in der Wallonie, 96 Liter in Brüssel und 86 Liter in Flandern. Viele andere europäische Länder wie etwa Frankreich oder Italien überschritten hingegen leicht die 120-Liter-Marke. Auf europäischer Ebene gehöre Belgien tatsächlich zu den Top Drei der Länder, die am sparsamsten mit Trinkwasser umgingen. Man stehe in etwa auf der gleichen Stufe wie Bulgarien, nur Malta verbrauche noch etwas weniger Trinkwasser.
Neben dem tatsächlich, direkt verbrauchten Trinkwasser gibt es aber noch den sogenannten "Wasserfußabdruck". Der funktioniert ähnlich wie der bekanntere CO2-Fußabdruck. Der Wasserfußabdruck misst auch das indirekt verbrauchte Wasser. Das schließt auch das Wasser mit ein, das für die Herstellung der Produkte des täglichen Gebrauchs verbraucht wird, zum Beispiel für den Anbau von Baumwolle und Kaffee oder für die Züchtung der Tiere für den Fleischkonsum und so weiter. Hier gehöre Belgien – wie auch beim CO2-Fußabdruck – zu den höchsten Verbrauchern auf der Welt. Dafür gebe es viele verschiedene Gründe, beispielsweise die industrielle Entwicklung des Landes, teilweise sei das aber auch wirklich einfach auf das allgemeine Konsumverhalten zurückzuführen.
Und dann gebe es auch noch eine dritte Rechnung, so der Experte, die vor allem im Internet seit Langem zirkuliere. Diese beruhe aber auf einer historischen Fehlannahme, denn sie zähle das Wasser, das Belgien zur Kühlung seiner Atomkraftwerke benutze als "verbrauchtes" Wasser, was es ja nicht wirklich sei. Wenn man zum Beispiel Tihange nehme, dann rede man von 1,5 Milliarden Kubikmetern Wasser, die dort zur Kühlung verwendet würden, 1,5 Billionen Liter also. Rechne man das einfach auf die Bevölkerung der Wallonie um, dann ergebe das in etwa 500 Kubikmeter Wasser pro Kopf. Ein Einpersonenhaushalt verbrauche aber in etwa 30 Kubikmeter Wasser. Es sei also offensichtlich, wie die Verbrauchsberechnung auf diese Weise verfälscht werde, unterstrich Prevedello.
Boris Schmidt