Vor allem die LKW-Fahrer sind betroffen, denn sie müssen bei jedem Wetter auf die Straße. Wenn Sie dann von höchster Stelle auf den Pannenstreifen beordert werden, wie es gestern auf den wallonischen Autobahnen und Schnellstraßen der Fall war, ist der Ärger so gut wie vorprogrammiert. Die Spediteure fühlten sich als Geisel genommen.
Regieren heißt vorausschauen. Prinzipiell sollte es jedenfalls so sein. Doch gerade in Belgien sind wir es von den Politikern gewohnt, dass sie oftmals nicht agieren, sondern reagieren. Anders gesagt: Man entscheidet, wenn es zu spät ist.
Diesem Vorwurf wollte sich der wallonische Transportminister Benoît Lutgen nicht aussetzen. Als der Wetterbericht am Donnerstag massig Schnee für den Süden des Landes voraussagte, traf er kurzerhand die Entscheidung, dass auf den Autobahnen und Schnellstraßen der Provinzen Lüttich, Luxemburg und Namur alle LKW über 7,5 Tonnen ab 14.30 Uhr die Fahrt einstellen müssen.
Gesagt, getan… doch kaum standen die Trucker auf Pannenstreifen und Parkplätzen still, da hagelte es Proteste von Seiten der Transportbranche. Unüberlegt, überstürzt, unverantwortlich, wirtschaftlich katastrophal, so wurde die Entscheidung des Ministers verurteilt.
Ein stehender LKW, so argumentierte der wallonische Transportverband UPTR, kostet pro Stunde 55 Euro. Ganz zu schweigen vom Schaden beim Kunden, der seine Ware nicht rechtzeitig geliefert bekommt.
Das mag zwar stimmen, aber war das von Minister Lutgen erlassene Fahrverbot denn so unverantwortlich? Nein, im Gegenteil, die Entscheidung war durchaus gerechtfertigt.
Hätte der Minister nichts getan und ein LKW hätte sich in einer Steigung quer gestellt, wäre genau das passiert, was wir vor einigen Jahren auf dem Brüsseler Ring erlebt haben. Da reichte ein einziger hängen gebliebener 10-Tonner für einen Rückstau von 20 Kilometer, in dem tausende Insassen von Privatwagen stundenlang ausharren und zum Teil sogar die Nacht verbringen mussten. Nicht auszumalen, was weiter noch passiert wäre, hätte das Rote Kreuz sie nicht mit dem Nötigsten versorgt.
Genau dieses Horrorszenario drohte am Donnerstag auch auf den wallonischen Schnellstraßen. Wäre es tatsächlich eingetreten, wäre der verantwortliche Minister von den Kritikern in der Luft zerrissen worden, und das nicht einmal zu unrecht.
Dass es uns erspart blieb, verdanken wir der ministeriellen Anordnung, die LKW im Schneetreiben aus dem Verkehr zu ziehen. Natürlich ist das für keinen angenehm, aber gegen höhere Gewalt – und die war in diesem Fall gegeben – kann auch ein Minister nichts ausrichten. Gegen massiven Schneefall ist auch die Politik machtlos.
Und was ist mit vorsorglich streuen? Hat keinen Sinn, sagen die Experten, wenn es so stark schneit, wie es der Fall war. Tatsache ist, dass die Personenwagen dank der zum Stillstand gezwungenen LKW auf geräumten und gestreuten Autobahnen bei angepasster Fahrweise praktisch unbehindert fahren konnten.
Übrigens darf man eines nicht vergessen: Die Grenzen nach Luxemburg und Frankreich waren ohnehin gesperrt, so dass die Fahrt für die Trucker dort in jedem Fall zu Ende gewesen wäre.
Die Politiker mögen gelegentlich Dummheiten machen, doch diesmal ist die Kritik der Spediteure nicht zu vertreten. Nur in einem Punkt mögen sie recht haben: Dass die LKW bereits ab 14.30 Uhr, als es noch überhaupt nicht schneite, schon die Fahrt beenden mussten, war übertrieben. Da hätte man von den Behörden schon etwas mehr Flexibilität erwarten können. Aber, wie heißt es so schön: Nur wer nichts tut, kann auch keine Fehler machen.
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