Die Kernkraftwerke von Doel und Tihange liefern etwa die Hälfte des Stroms und 18 Prozent des gesamten Energiebedarfs in unserem Land. Ein Teil des in Belgien verbrauchten Stroms wird direkt aus Frankreich und anderen Ländern importiert. Joannes Laveyne, Energieexperte der Universität Gent, sagt dazu, dass im Moment große Unsicherheit über die französischen Kernkraftwerke herrsche.
Wenn es jetzt weiter trocken bleibe, werde die Kühlung dieser Kraftwerke beeinträchtigt. Viele französische Kernkraftwerke befinden sich tief im Landesinneren und sind zur Kühlung auf Flusswasser angewiesen. Wenn es wenig Niederschlag und viel Verdunstung gibt, fließt nicht genug Wasser durch die Flüsse, um die Kernkraftwerke vollständig zu kühlen, was bedeutet, dass weniger produziert werden kann. In einem sehr angespannten Markt - wie es heute der Fall ist - führt das zu einem starken Energiepreisanstieg.
Hinzu kommt, dass wir laut Energieexperte Laveyne während einer Hitzewelle viel mehr Strom als sonst verbrauchen. Das liege daran, dass Klimaanlagen in den letzten Jahren immer beliebter geworden sind. Aber besonders die billigen Geräte fressen viel Energie, sagt Laveyne. Wenn die Sonne Überstunden macht, können wir zwar Klimaanlagen mit der von Solarzellen gelieferten Energie betreiben. Aber diese Photovoltaikanlagen arbeiten weniger effizient, wenn es heiß ist. Ihr Wirkungsgrad sinkt bei jedem Grad über 20 Grad um ein halbes Prozent. Und noch etwas fällt an heißen Tagen auf: Es weht sehr wenig Wind, so dass wir weniger Wind-Energie produzieren.
Normalerweise reichen die Energiereserven aus, aber man darf laut Laveyne nicht vergessen, dass auch die Gaskrise wie ein Damoklesschwert über uns schwebt. Gas ist extrem teuer und wird derzeit hauptsächlich zur Auffüllung der Gasreserven in Frankreich und Deutschland verwendet. Diese Vorräte werden für den Winter benötigt, und aufgrund der Blockade des russischen Gases werden sie derzeit nicht voll aufgefüllt.
Auch im Sommer sind in Belgien zwei bis drei Gaskraftwerke in Betrieb, um Strom zu erzeugen. Jede Kilowattstunde Strom, die wir nicht verbrauchen, ist eigentlich zusätzliches Gas, das wir in den Nachbarländern speichern können, sagt Laveyne. Es wäre also nicht schlecht, auch im Sommer so wenig Gas und Strom wie möglich zu verbrauchen, empfiehlt Energieexperte Joannes Laveyne.
Ihn stört es, dass Belgien nicht zu drastischeren Maßnahmen greift. Die belgische Föderalregierung behauptet zwar, dass die Versorgung gesichert ist, und dass wir nur zu 4 Prozent vom russischen Gas abhängig sind. Aber unser Land hat nur sehr wenige Speicher, so dass wir für unseren Spitzenverbrauch von den deutschen und französischen Lieferungen abhängig sind. Das ist vertraglich garantiert, aber wenn dieses Gas gar nicht verfügbar ist, würden wir wirklich ein ernstes Problem bekommen.
In Frankreich sehe es bereits schlecht aus. Es sei jetzt schon absehbar, dass die Franzosen in diesem Winter einen Strommangel haben werden und den Strom abschalten müssen.
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