In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden in unserem Land fast zwei Prozent weniger Häuser und Wohnungen verkauft als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dies geht aus dem neuen Immobilienbarometer des Verbands der belgischen Notare Fednot hervor.
Ist das lange erwartete Trendwende?
Fachleute sehen das so. Der Rückgang der Immobilientransaktionen zeichnete sich schon im Februar ab. Im Juni wurden in Belgien sogar 12,7 Prozent weniger Wohnungen und Häuser verkauft als im gleichen Monat des Vorjahres. Und für Fednot-Sprecher Bart van Opstal besteht da kein Zweifel. Der Juni sei traditionell ein sehr arbeitsreicher Monat. Es handele sich um eine deutliche Abkühlung des Marktes.
Werden Häuser jetzt billiger?
Also laut Fednot-Sprecher van Opstal ist es nicht unlogisch, dass einige Käufer jetzt auf die Bremse treten. Die Zinssätze steigen, die Energiepreise schießen in die Höhe und der Krieg in der Ukraine könnte länger dauern als erwartet. Infolgedessen herrscht große Unsicherheit darüber, wie sich unsere Wirtschaft in den kommenden Monaten entwickeln wird.
Dieser Zweifel drückt nun zunehmend auf die Immobilienpreise. Wobei das nicht heißt, dass alle Häuser billiger werden. Die Preise steigen in etwa so schnell wie die Inflation. Das gilt vor allem für Einfamilienhäuser. Appartements wurden inflationsbereinigt günstiger.
Dass sich Kaufinteressierte gegenseitig überbieten müssen, könnte aber erst mal vorbei sein. Fednot-Sprecher van Opstal sagt voraus, dass sich der Markt immer mehr zu einem Käufermarkt entwickelt, bei dem es bald möglich sein wird, den Preis neu - und damit nach unten - zu verhandeln.
Lieber abwarten mit dem Hauskauf?
Das ist ein Dilemma. Wenn man auf die Zahlen schaut, dann scheint die Abkühlung des Marktes nicht für die jungen Käufer zu gelten. Das sind die 30-Jährigen und jünger. Laut van Opstal waren junge Käufer in den letzten Monaten bemerkenswert aktiv, weil sie einen weiteren Anstieg der Zinssätze erwarten.
Über 50-Jährige, von denen viele auf der Suche nach einer guten Wertanlage bei niedrigen Zinsen waren, werden gerade vorsichtiger. Alles wird teurer. Potenzielle Käufer müssen sich nicht nur Fragen über ihr Kaufbudget stellen, sondern auch über die Höhe des Renovierungsbudgets.
Wenn die Zinsen weiter steigen, wird es für junge Menschen immer schwieriger, Kredite aufzunehmen und Immobilien zu kaufen. Es gibt auch Experten, die sagen, dass es sich für junge Menschen nicht lohnt zu warten. Die aktuell hohe Inflation sei für Kaufinteressenten eher ein Vorteil als ein Nachteil.
Die hohe Inflation bedeutet, dass die realen Zinssätze stark negativ sind, was es attraktiv macht, heute Kredite aufzunehmen.
Aufgrund der automatischen Lohnindexierung wird die Rückzahlung eines Kredits bei der Bank immer einfacher: Sie nimmt perspektivisch einen immer kleineren Teil des Gehalts in Anspruch. Da lautet also das Fazit: Es gibt keinen Grund, mit dem Kauf eines Hauses oder einer Wohnung zu warten, auch wenn die heutigen Immobilienpreise strukturell hoch sind.
Traumimmobilie statt Albtraumimmobilie
Man erwartet aufgrund der strukturell hohen Energiekosten langfristig eine deutliche Spaltung des belgischen Immobilienmarktes. Auf der einen Seite gibt es die gut gedämmten Häuser und Wohnungen, für die es eine große Nachfrage gibt, und auf der anderen Seite gibt es die schlecht gedämmten und veralteten Häuser, für die es immer weniger Interesse gibt. In Anbetracht der teuren Renovierungskosten wird man vor allem für diese Immobilien den Verkaufspreis zurückschrauben müssen.
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