"Es geht um die Frage, wie wir mit inhaftierten Terroristen umgehen." Es war Peter De Roover, der N-VA-Fraktionsvorsitzende in der Kammer, der am vergangenen Donnerstag im Rahmen der parlamentarischen Fragestunde einen möglichen Gefangenen-Deal mit dem Iran aufs Tapet brachte.
Das Abkommen sieht offenbar die Möglichkeit vor, dass beide Seiten Gefangene austauschen. Der Text ist allgemein gehalten. Es werden keine Namen genannt.
Inoffizielle Namen
Und auch Justizminister Vincent Van Quickenborne hat immer abgestritten, dass es in dem Abkommen mit dem Iran um irgendwelche konkreten Personen geht. Dennoch mag man ahnen, welche Namen da inoffiziell in der Waagschale liegen könnten.
Der erste Name, der einem einfällt, ist Ahmadreza Djalali. Der schwedisch-iranische Arzt sitzt nun schon seit sechs Jahren in einem iranischen Gefängnis. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung arbeitete Djalali als Gastdozent an der Freien Universität Brüssel, was einen Belgien-Bezug herstellt.
Das Regime in Teheran wirft dem 50-Jährigen Spionage vor. 2017 wurde Ahmadreza Djalali zum Tode verurteilt. Seit Jahren setzen seine Familie und auch Menschenrechtsgruppen Himmel und Hölle in Bewegung, um die Freilassung von Djalali zu erwirken.
Menschenrechtsgruppen waren von Anfang an davon überzeugt, dass Djalali nur als Geisel festgehalten wurde, um ihn gegen iranische Staatsbürger austauschen zu können, die im Ausland verurteilt wurden.
Drahtzieher eines Anschlags
Und damit wären wir beim zweiten Namen, der einem in den Sinn kommt: Assadollah Assadi. Der Mann wurde im vergangenen Jahr in Antwerpen zu 20 Jahren Haft verurteilt - trotz der Tatsache, dass er ein iranischer Diplomat war und eigentlich entsprechende Immunität genoss.
Das Gericht befand Assadi für schuldig, der Drahtzieher hinter einem vereitelten Bombenanschlag gewesen zu sein. Ziel war demnach eine Großkundgebung von iranischen Oppositionellen, die 2018 in Villepinte unweit von Paris stattgefunden hat.
Assadi und seine Helfer konnten aber vor der Durchführung ihrer Anschlagspläne im Rahmen einer koordinierten Aktion der belgischen, deutschen und französischen Sicherheitsdienste festgenommen werden. Assadi sitzt derzeit in einem belgischen Gefängnis.
Unbehagen
Assadollah Assadi ist also ein verurteilter Terrorist, sagte Peter De Roover am vergangenen Donnerstag in der Kammer. "Und doch stellt sich die Frage, ob die belgische Regierung nicht gerade dabei ist, dem Mann faktisch Strafminderung oder gar Straffreiheit zu gewähren, indem man ihn an den Iran ausliefert."
Diese Frage richtete sich an Justizminister Vincent Van Quickenborne - und dessen Unbehagen war durchaus spürbar. Natürlich müssten Terroristen verurteilt und bestraft werden. Straffreiheit sei keine Option.
Dennoch sei es dieser Regierung auch ein Anliegen, die Bürger und Staatsangehörigen dieses Landes zu schützen - und das weltweit, so Quickenborne.
Die Opposition im Parlament ist nicht überzeugt - ebenso wenig wie Menschenrechtsgruppen. Wir kämpfen schon seit Jahren für die Freilassung von Ahmadreza Djalali", sagte Philippe Hensmans von Amnesty International. "Wenn der Preis dafür aber die Freilassung eines verurteilten Terroristen wäre, dann hätten wir Bauchschmerzen."
Garantien
Die Gefahr sei groß, dass das Schule mache und dass Belgien erpressbar werde, sind sich die Kritiker einig. Justizminister Van Quickenborne wollte diese Bedenken in der Kammer ausräumen. In dem Abkommen würden ausdrücklich Garantien festgehalten: Garantien in Bezug auf den Rechtsstaat, den Strafvollzug und die Menschenrechte.
"Nun gut", erwiderte Peter De Roover, der die Frage ja im Parlament aufgeworfen hatte. Er nehme das zur Kenntnis, aber "ich nehme Sie beim Wort", wandte sich der N-VA-Politiker an den Justizminister. Es gehe eben nicht nur darum, dass Terroristen verurteilt werden, sondern dass sie eben auch ihre Strafe absitzen.
Besagtes Abkommen zwischen Belgien und dem Iran liegt am Dienstag auf dem Tisch des zuständigen Kammerausschusses, der den Vertrag noch ratifizieren muss. So wie es im Moment aussieht, will die Opposition bei der Gelegenheit den Justizminister noch einmal durch die Mangel drehen.
Roger Pint