Die Zahlen, die Brussels Airport-Geschäftsführer Arnaud Feist bei Radio Eén vorgestellt hat, klingen beeindruckend: 70.000 Passagiere werden zum anstehenden Beginn der Ferien erwartet - pro Tag wohlgemerkt! Rund vier Millionen sollen es insgesamt für Juli und August werden.
Aber dennoch sei das nur ein Schritt, bis zur vollständigen Erholung von der Coronakrise könne es durchaus noch zwei bis drei Jahre dauern. Diesen Sommer werde voraussichtlich etwa 75 Prozent des Rekordjahres 2019 erreichen. Aber es sei gut, dass die Passagiere Schritt für Schritt zurückkehrten.
Viele Passagiere bedeuteten hohe Einkünfte nicht nur für die Fluglinien, sondern für alle Partner am Flughafen. Deshalb versuche der Brussels Airport auch, seine Attraktivität immer weiter zu steigern, so Feist. Etwa durch die Aufnahme weiterer, exotischerer Flugziele ins Repertoire. Was die Auswahlmöglichkeiten betreffe, sei man übrigens auch bereits wieder fast beim Vor-Krisen-Niveau angelangt.
Kein Flughafenchaos
Zur Attraktivität gehört aber auch eine positive Erfahrung der Reisenden beim Abflug beziehungsweise bei der Ankunft. Und hier hat es in den vergangenen Wochen ja wahre Horrorbilder von anderen Flughäfen Europas gegeben, beispielsweise vom Amsterdamer Flughafen Schiphol. Solche Bilder werde es vom Brussels Airport nicht geben, so Arnaud Feist. Natürlich könne es mal ab und zu Schlangen hier und da geben, das sei normal. Aber man erwarte keine großen operationellen Probleme, wie sie die anderen Flughäfen erlebt hätten.
Für seine Zuversicht gibt es auch einen Grund. Das Hauptproblem hinter dem Flughafenchaos war meist ein dramatischer Personalmangel nach der Pandemie. Den gibt es in Brüssel auch oder besser gesagt gab es: Denn von den rund 1.200 zu besetzenden Stellen im April habe man die Hälfte bereits füllen können, unterstrich Feist. Die umfangreichen Rekrutierungskampagnen hätten ihre Wirkung nicht verfehlt. Und auch sonst sei die Zeit genutzt worden.
Schon vor Monaten habe man gemeinsam mit allen Partnern begonnen, sich gut auf den Ferienansturm vorzubereiten. Er gehe davon aus, dass alles bereitstehe, um die Urlauber willkommen zu heißen. Die könnten sich im Übrigen mittels der auf der Webseite des Flughafens zur Verfügung gestellten Werkzeuge und Informationen bestmöglich auf einen stressfreien Abflug vorbereiten.
Drohende Streiks bei den Airlines
Stress kann es aber durchaus aus einer Ecke geben, auf die der Flughafenbetreiber wenig Einfluss hat. Denn bei verschiedenen Airlines, namentlich Brussels Airlines, aber auch Ryanair rumort es nach den gerade erst zu Ende gegangenen Streiks ja schon wieder heftig. Wie es zum Beispiel bei Brussels Airlines streiktechnisch im Sommer aussehen könnte, das wird man erst besser einschätzen können, wenn sich Direktion und Gewerkschaften getroffen haben. Aktuell steht dafür der kommende Montag im Raum.
Als Betreiber hütet sich der Flughafen natürlich davor, zwischen die Fronten zu geraten. Es sei deutlich, dass aktuell viel mehr Arbeit anfalle. Aber dennoch müssten die sozialen Bedingungen für alle gerecht und akzeptabel sein, mahnte der Brussels Airport-Chef.
"Race to the bottom"
Gerade in verkehrsstarken Zeiten wie jetzt sei es aber in der Tat besonders schwierig, ein Gleichgewicht zu finden zwischen den Interessen der verschiedenen Seiten.
Die Spannungen seien auch die Folge der Billigfluggesellschaften, die sehr viel Druck auf die Preise ausübten. Das sei sicher nicht immer gut für die Qualität. Und ganz sicher nicht im Interesse der Arbeitnehmer. Das sei etwas, womit sich der ganze Sektor beschäftigen müsse: Wie weit könne man gehen in diesem sogenannten "Race to the bottom", also diesem Unterbietungswettlauf? Er finde, dass das eine sehr wichtige Diskussion für alle Fluglinien in Europa sei, betonte Feist.
Boris Schmidt