Dass der Bedarf für Stromanschlüsse in den Niederlanden so gestiegen ist, hat diverse Ursachen. Viele von ihnen treffen auch - zumindest in gewissem Maß - auf Belgien zu. Denn entscheidend mit dazu beigetragen, dass die Stromnetzkapazität in den zwei Provinzen fast maximal ausgelastet ist, hat die schnelle Zunahme von Wärmepumpen, Ladestationen für elektrisch betriebene Fahrzeuge, Firmen, die von Gas auf Elektrizität umsteigen und Initiativen für mehr Nachhaltigkeit. Allein in den letzten Monaten habe es neue Anträge mit einer Gesamtgrößenordnung von 800 Megawatt in Nordbrabant und Limburg gegeben, teilte der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet mit.
Auch er sei etwas erschrocken, wie dramatisch die Situation in den Niederlanden geworden sei, erklärte Chris Peeters in der VRT-Sendung "Terzake". Er ist Geschäftsführer beim Hochspannungsnetzbetreiber Elia, dem belgischen Pendant der niederländischen Tennet. Er erwarte allerdings nicht, dass es in Belgien zu einer vergleichbaren Situation kommen werde. Man sei doch eigentlich gut vorbereitet auf mögliche Szenarien, für so etwas mache man regelmäßig Pläne, betonte der Elia-CEO. Genauso wie man für den Fall des Atomausstiegs Pläne zur Bevorratungssicherheit des Landes ausgearbeitet habe, so mache man auch Pläne beziehungsweise bereite sich in puncto Infrastruktur auf verschiedene mögliche Szenarien vor.
Es sei immer notwendig, bei dieser Art Fragen weit im Voraus zu planen und dabei auch damit zu rechnen, dass manche Entwicklungen deutlich schneller passieren könnten als ursprünglich vielleicht angenommen. Außerdem sei es auch so, dass man einplanen müsse, dass die notwendigen Untersuchungen, Gutachten und Genehmigungen viel Zeit in Anspruch nähmen. Das sei bei den aktuellen Problemen in den Niederlanden sicher ein nicht zu vernachlässigender Faktor.
Viele Jahre im Voraus planen
Aber auch in Belgien stelle das eine sehr große Herausforderung dar, so Peeters. Das sehe man gerade auch wieder bei der Planung der neuen Hochspannungsleitungen "Ventilus" in Westflandern und "Boucle du Hainaut" im Hennegau. Gegen beide Projekte gibt es erbitterten Widerstand von Anwohnern. Elia selbst hält aber beide Leitungen in ihrer jetzt geplanten oberirdischen Form für unabdingbar für die zukünftige Bevorratungssicherheit und die industrielle Entwicklung der zwei Provinzen. Elia plane wegen solcher möglicher Verzögerungen generell viele Jahre im Voraus. Er habe auch Verständnis für die Sorgen der Menschen, solche Projekte müssten deshalb auch gut begleitet werden, unterstrich der Elia-Geschäftsführer. Aber die Prozesse zur Erteilung von Genehmigungen müssten dennoch auf den Prüfstand.
Aktuell berücksichtige man jedenfalls nicht nur die industrielle Entwicklung im Land, sondern auch die Integration erneuerbarer Energien und die Energiewende, sprich die zunehmende Elektrifizierung. Dazu gehörten natürlich E-Autos und Wärmepumpen, aber vor allem eben auch die energetische Umstellung industrieller Prozesse sowie die Integration in ein gesamteuropäisches Stromnetz.
Man arbeite mit Hochdruck daran, dass Rückgrat des belgischen Stromnetzes weiter zu verstärken, so die Versicherung Elias. Das habe man auch die vergangenen Jahre über bereits getan. Nicht, weil es aktuell bereits Probleme gebe, sondern um für die Herausforderungen der Zukunft, sprich die steigende Nachfrage im Netz, gewappnet zu sein. Dazu gehöre aber auch, dass eben "Ventilus" und "Boucle du Hainaut" rechtzeitig fertiggestellt werden könnten. Er sei, auf Basis der Zusagen aus der Politik, auch zuversichtlich, dass das klappen werde, betonte Peeters.
Man dürfe natürlich niemals nie sagen, denn es könne immer unerwartete Entwicklungen geben. Aber im Augenblick und unter Berücksichtigung der extremsten Szenarien, die man für möglich halte, sei man eigentlich bereit, versicherte der Elia-Geschäftsführer.
Boris Schmidt