Die Behörden wollen keine Risiken eingehen. Die Polizei analysiert kontinuierlich die Bedrohungslage, um notfalls schnell eingreifen zu können, Gericht und Umgebung sind abgesperrt. Der Gerichtssaal ist eigens umgebaut worden, Zuschauer und Presse dürfen den Prozess nur über Video verfolgen.
Das ist angesichts der Umstände nachvollziehbar: Im Zentrum des Prozesses stehen zwei Mafia-Clans, die Aquinos, zu dem das Mordopfer gehörte, und der bosnische Hamidovic-Roma-Clan, aus dessen Reihen die Mörder stammen sollen. Die beschuldigten Bosnier sind aktuell in den Gefängnissen von Hasselt und Lantin untergebracht. Aber selbst dort sollen sie von anderen Häftlingen bedroht worden sein, die dem Aquino-Clan nahe stehen.
Hinzu kommt aber noch ein Konflikt innerhalb des bosnischen Clans: Einer der Beschuldigten hat nämlich ausgesagt und hat damit das berüchtigte "Gesetz des Schweigens" der Mafia gebrochen, die "Omertà". Er gilt damit für den Rest des Clans als Verräter.
Was vor sieben Jahren geschah
Nun zu dem, was vor sieben Jahren geschah: Die in Maasmechelen lebenden Aquinos sind in Limburg seit Langem einschlägig bekannt. Die männlichen Familienmitglieder haben aufgrund ihrer kahlen Köpfe und ihres muskelbepackten Äußeren den Spitznamen die "Kahlkopfbande". Ihre kriminellen Aktivitäten haben ihnen in der örtlichen Unterwelt auch den Beinamen "die Sopranos von der Maas" eingebracht. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern seiner Familie steht Silvio Aquino 2015, zum Tatzeitpunkt, in Hasselt vor Gericht wegen Kokainschmuggels.
Am Tag seines Todes wird der Wagen, in dem Silvio Aquino und seine Ehefrau unterwegs sind, von einem zweiten Fahrzeug eingeholt. Einer der Insassen, der schwarze Handschuhe, eine Sturmhaube und dunkle Kleidung trägt, bedeutet ihm, anzuhalten. In der Annahme, dass es sich um Polizeibeamte handelt, leistet er der Aufforderung Folge. Dann springen mehrere Personen mit reflektierenden Armbändern, wie die Polizei sie trägt, aus besagtem Fahrzeug. Als sie Silvio und seine Frau aus deren Fahrzeug zerren, schreien sie, dass sie von der Antidrogen-Einheit seien.
Offenbar lässt sich Silvio Aquino nicht lange täuschen. Er ruft seiner Frau zu, dass sie losrennen soll, es seien keine Polizisten. Seiner Frau gelingt daraufhin die Flucht in den Wald, Silvio selbst hat weniger Glück. Etwa fünf Schüsse seien gefallen, so ein Zeuge damals bei der VRT. Er habe zuerst an einen Jäger gedacht, bevor klar geworden sei, dass ein Mensch erschossen worden war.
Die Täter kennen kein Erbarmen: Fünf Kugeln bekommt Silvio Aquino in den Kopf, zwei weitere in den Körper. Weil die Tat aber am helllichten Tag geschieht, gibt es diverse Zeugen, die unter anderem wertvolle Tipps zum Fluchtwagen liefern können. Die Täter hatten noch mehr Pech, denn einer von ihnen ist im Handgemenge mit seiner eigenen Waffe schwer verletzt worden. In den Niederlanden zwingen sie deshalb einen Krankenwagen zum Anhalten und flüchten ohne ihren verwundeten Kumpan weiter. Der Verletzte, ein der Polizei bekannter Bosnier aus Antwerpen, überlebt nicht. Seine Identifizierung bringt die Polizei aber schnell auf die Spur der übrigen mutmaßlichen Täter.
Vier Bosnier vor Gericht
Vier Bosnier stehen seit Freitag in Tongeren wegen der Ausführung des Mordes vor Gericht. Den Auftrag soll laut Staatsanwaltschaft aber der fünfte Angeklagte gegeben haben - ein Bekannter der Aquinos aus dem in der Nähe gelegenen Zutendaal. Der Mann hat in Maasmechelen ein Restaurant betrieben, in dem die Aquinos regelmäßig zu Gast gewesen sein sollen.
Über die Frage des Motivs herrscht Unklarheit. Ein schief gelaufener Überfall mit Raubabsicht scheint eher unwahrscheinlich, weil bei der Leiche Aquinos über 4.000 Euro in bar gefunden wurden. Der angebliche Auftraggeber wiederum ist selbst eine bekannte Figur im örtlichen Drogenmilieu. Er soll sich vor der Tat wegen eines schief gelaufenen Drogendeals mit Silvio Aquino zerstritten haben. Drei der vor Gericht stehenden Bosnier und der angebliche Auftraggeber streiten jegliche Schuld ab und schweigen sonst.
Der vierte Bosnier allerdings hat ausgesagt, dass der Aquino-Bekannte ihnen einen Tipp gegeben habe, dass bei Silvio Aquino wegen seines Drogenhandels viel Geld zu holen sei. Der Plan sei gewesen, ihn deshalb zu entführen und bis zu einer halben Million Euro Lösegeld zu verlangen. Das habe aber in einem Blutbad geendet, nachdem es Silvio Aquino gelungen sei, einem der Täter die Waffe zu entreißen, so der Bosnier.
Der Assisenprozess ist für eine Dauer von etwa vier bis fünf Wochen angesetzt. Sollten die Angeklagten schuldig gesprochen werden, könnte ihnen lebenslange Haft drohen.
Boris Schmidt