Das Regime in Teheran wirft Ahmadreza Djalali Spionage vor. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung arbeitete er als Gastdozent an der Freien Universität Brüssel.
"Das Schicksal von Doktor Djalali berührt Menschen in der ganzen Welt, auch bei uns", sagte Premierminister Alexander De Croo am Nachmittag in der Kammer. Und in der Tat: Das Foto von Ahmadreza Djalali ist in den letzten Jahren wohl um die Welt gegangen. Der Arzt ist zu einem Symbol geworden, er steht - mit anderen - stellvertretend für die Opfer des iranischen Unrechtsregimes.
Ahmadreza Djalali hat einen schwedischen und einen iranischen Pass. Der heute 50-Jährige ist Arzt, Experte für Katastrophenmedizin. Gearbeitet hat er in Schweden, in Italien, und 2016 war er als Gastdozent an der Freien Universität Brüssel beschäftigt.
Reise in Iran war offenbar Falle
Im April 2016 reiste Djalali in das Land seiner Vorfahren, auf Einladung der Universität von Teheran. Das war offensichtlich eine Falle. Während seines Aufenthalts wurde er auf Anweisung des iranischen Geheimdienstes festgenommen. Ihm wurde Spionage zur Last gelegt. Einen ordnungsgemäßen Haftbefehl gab es nicht.
Seither sitzt Ahmadreza Djalali im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran. Nach monatelanger Einzelhaft und unter Folter legte er irgendwann ein Teilgeständnis ab. Anfang 2017 wurde er dann von einem Islamischen Revolutionsgericht zum Tode verurteilt. Das sollte 2020 schon einmal vollstreckt werden. Djalali entging der Hinrichtung nur knapp.
Aufgeschoben ist aber leider nicht aufgehoben. Am Mittwoch meldete die halbstaatliche iranische Nachrichtenagentur ISNA, dass die Exekution neu angesetzt worden sei. Demnach soll Djalali um den 21. Mai hingerichtet werden.
Zeitpunkt der Ankündigung kein Zufall
Diese Information sei bislang nicht bestätigt worden, sagte Alexander De Croo. Weder vom belgischen Außenministerium, noch von Djalalis Anwalt, noch von den schwedischen Behörden. Doch sei man natürlich sehr besorgt. Dass die Ankündigung jetzt kommt, das ist aber höchstwahrscheinlich kein Zufall. Es ist offensichtlich, dass der Arzt in dem einen oder anderen Tauschgeschäft als "Gegenleistung" dienen sollte.
2020 wurde drei Iranern in Antwerpen der Prozess gemacht. Sie sollen einen Anschlag auf eine Großkundgebung von Exil-Iranern 2018 in Frankreich geplant haben. Unter den Angeklagten war auch ein iranischer Diplomat. Teheran hat seinerzeit offenbar Belgien zu verstehen gegeben, dass Ahmadreza Djalali freigelassen würde, wenn der Prozess gegen besagten Diplomaten eingestellt würde. Belgien ging nicht darauf ein.
Jetzt scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Diesmal geht es um einen Fall in Schweden, Ahmadreza Djalali hat ja auch einen schwedischen Pass. 2019 wurde dort ein iranischer Funktionär festgenommen, der beschuldigt wird, eine führende Rolle gespielt zu haben bei der Hinrichtung von mindestens 5.000 Regimegegnern 1988 im Iran. Dem Mann wird derzeit in Stockholm der Prozess gemacht, das Urteil soll in Kürze verkündet werden.
De Croo: Nichts unversucht gelassen
In dem besagten Artikel der iranischen Nachrichtenagentur ISNA wird ausdrücklich ein Zusammenhang hergestellt zwischen diesem inhaftierten Iraner und der Ankündigung der Hinrichtung von Ahmadreza Djalali. "Belgien hat in den letzten Jahren mehrmals Kontakt mit den iranischen Behörden aufgenommen, um die Exekution zu verhindern", sagte Premierminister Alexander De Croo. Man habe sich auch immer wieder nach dem Befinden des Arztes erkundigt, und man habe darum ersucht, den Mann im Gefängnis besuchen zu können.
Diese und auch die Vorgängerregierungen hätten wirklich nichts unversucht gelassen, bislang aber leider ohne Erfolg. Jetzt werde man den Druck aber noch einmal merklich erhöhen, versprach De Croo. Bilateral habe das Außenministerium erneut Kontakt mit den iranischen Behörden aufgenommen, um gegen das Vorgehen zu protestieren. Auch der EU-Gesandte, der in der kommenden Woche nach Teheran reisen soll, werde das Thema ankarten.
Und schließlich habe er selbst schon vor Wochen um ein Treffen mit dem iranischen Präsidenten Raissi ersucht, sagte De Croo. "Aber, damit das klar ist", fügte der Premier hinzu, "Belgien ist ein Rechtsstaat. Hier ist die Justiz unabhängig. Egal, wie delikat eine Akte auch sein mag. Genau das unterscheidet einen demokratischen Rechtsstaat von einem autoritären Regime."
Roger Pint