Probleme verschwinden nicht, nur weil man sie nicht sehen will oder sie gar leugnet. In dem Sinne: Ja, natürlich gibt es weiterhin Rassismus in unserer Gesellschaft. Ja, auch in Belgien. Ja, auch im Sport. Und ja, auch zum Beispiel auf den Zuschauertribünen in den Fußballstadien. Ein aufsehenerregender Vorfall hat sich kurz vor Weihnachten bei einem Spiel zwischen den Clubs von Brügge und Anderlecht ereignet.
Von den Zuschauerrängen erklangen damals eindeutig rassistische Sprechchöre gegen Spieler und Mitarbeiter des RSC Anderlecht. Unter anderem wurde Trainer Vincent Kompany als "brauner Affe" geschmäht. Die Staatsanwaltschaft Westflandern hatte diesbezüglich auch strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen. Dienstagabend wurde aber bekannt, dass das Verfahren eingestellt wird. Es sei unmöglich festzustellen beziehungsweise zweifelsfrei nachzuweisen, welche Personen genau was gerufen hätten.
Kein guter Tag für den Kampf gegen Rassismus im Fußball also. Club Brügge jedenfalls hat beschlossen zu versuchen, mehr gegen dieses hässliche Phänomen zu unternehmen. Zu diesem Zweck bekommt jeder einzelne Sitz einen QR-Code, verkündete der westflämische Landesmeister am Mittwoch per Kommuniqué und in diversen Medien. Insgesamt also 24.000 QR-Code-Aufkleber mit der Aufschrift "#NIETMETONS", "nicht mit uns", für das Jan-Breydel-Stadion in Brügge.
Der Club führe schon seit Langem Sensibilisierungskampagnen durch, um Rassismus aus den Stadien raus zu halten. Aber leider habe die Vergangenheit gezeigt, dass das keine ausreichende Wirkung habe, bestätigte Club Brügge Chief Business Officer Bob Madou am Mittwochmorgen unter anderem bei Radio Eén. Wer sich nicht rassistisch verhalte, für den seien solche Filmchen und Kampagnen nicht notwendig, so Madou. Und bei hartnäckigen Rassisten erreiche man damit auch nicht wirklich etwas.
Deswegen wolle Club Brügge jetzt mit den QR-Codes einen Schritt weiter gehen und zeigen, dass man ernsthaft mehr unternehmen wolle. Mit dieser Praxis übernehme Brügge auch eine Vorreiterrolle im belgischen Fußball. Zunächst einmal wolle man mit den Codes und der neuen Kampagne #NIETMETONS das Bewusstsein der Fans für solch problematisches Verhalten schärfen, führte Madou aus. Man hoffe aber auch, dass die QR-Codes abschreckend wirken auf Personen, die meinten, sich rassistisch oder anderweitig problematisch verhalten zu müssen im Stadion.
Denn hier kommt der eigentliche Verwendungszweck dieses spezifischen QR-Codes zum Tragen: Wenn ein Zuschauer auf der Tribüne in seiner Nähe nicht tolerierbares Verhalten anderer Zuschauer bemerkt, dann kann er einfach den QR-Code auf dem Sitz einscannen und wird direkt auf ein Kontaktformular geleitet. Das Formular wird auch direkt über eine neue Webseite erreichbar sein. Dort kann man dann schildern, was man gesehen oder gehört hat, seine eigenen Daten hinterlegen und wird im Anschluss von Angestellten des Clubs kontaktiert, die der Sache nachgehen.
Diese Meldungen würden vom Sicherheitsdienst live mitverfolgt. Stewards des Clubs seien auch spezifisch geschult worden, erklärte Madou. Wobei alle Stewards natürlich ohnehin über eine Grundausbildung zum Erkennen problematischen Verhaltens verfügten. Zwar habe es schon vorher die Möglichkeit gegeben, etwa nach einem Spiel den Verein über eine E-Mail auf Missstände aufmerksam zu machen. Aber mit dem QR-Code und dem Kontaktformular werde das viel einfacher.
Auf diese Weise könnten die Verantwortlichen von Club Brügge schneller problematische Vorfälle aufspüren und dann die entsprechenden Prozeduren einleiten. Stewards seien natürlich keine Polizisten, unterstrich Madou. Aber alles, was beim Beweise sammeln gegen Problem-Zuschauer helfe, sei willkommen. Wem zum Beispiel rassistisches Verhalten nachgewiesen werden könne, dem drohten Strafen wie etwa ein Platzverweis oder ein Stadionverbot von mindestens zwei Jahren.
Viele Fans hätten deutlich gemacht, dass sie nicht länger gewillt seien, sich die Entgleisungen einer kleinen Minderheit gefallen zu lassen, heißt es von Club Brügge weiter. Sie und der Verein wollten nichts mit solchen Leuten zu tun haben. Deswegen sei die Botschaft auch deutlich: Wer sich rassistisch auslasse, der gehöre nicht zur Club-Brügge-Familie und der werde auch gemeldet.
Boris Schmidt