An einem mangelt es der Welt aktuell sicher nicht: an Krisen. Die treiben auch der Politik den Schweiß auf die Stirn - gerade auch aufgrund der internationalen Spannungen und ihren weltweiten, kaum absehbaren Folgen. Der Überfall Russlands auf die Ukraine und die Reaktionen darauf haben nämlich nicht nur die belgische Energiedebatte kräftig durcheinander gewirbelt. Auch auf die belgischen Staatsfinanzen wird sich die Invasion Putins auswirken.
Ungefähr Mitte März ist traditionell der Termin für die föderale Haushaltskontrolle. Dieses Jahr ist sie für nächste Woche angesetzt. Ebenso traditionell ist, dass kurz vorher der Bericht des sogenannten Monitoring-Komitees über den finanziellen Zustand des Landes veröffentlicht wird - das ist am Donnerstag geschehen. Auf den ersten Blick liest sich der Bericht dieses Mal eigentlich positiv: Das strukturelle Haushaltsdefizit soll nämlich um über eine Milliarde Euro geringer ausfallen, als im Oktober gedacht, bei der Vorstellung des Haushalts.
Das Ganze hat jedoch einen nicht unerheblichen Haken, um es sehr diplomatisch auszudrücken: Das Monitoring-Komitee hat als Grundlage Zahlen des Planbüros von Februar genommen. Normalerweise wäre das kein Problem. Dieses Mal aber schon, wie die für den föderalen Haushalt zuständige Staatssekretärin Eva De Bleeker (Open VLD) in der VRT erklärte:
Basis für Kontrolle weggebrochen
Der Bericht des Monitoring-Komitees, den die Regierung eigentlich für die Haushaltskontrolle einsetze, basiere auf den Hypothesen von unmittelbar vor Putins Angriff. Damit breche der Regierung die Basis für ihre Kontrolle weg. Der Bericht geht etwa von einem Post-Corona-Wirtschaftswachstum von drei Prozent aus. Aber durch diese Rechnung hat der Kreml-Machthaber wohl einen ziemlich dicken Strich gemacht.
Man wisse natürlich, dass das Wachstum geringer ausfallen werde, so De Bleeker. Die entscheidende Frage sei, um wieviel. Das sei im Augenblick wie Kaffeesatzlesen. Die Regierung werde aber ihr Bestes tun anhand der verfügbaren Daten. Die ersten Daten legten nahe, dass das Wirtschaftswachstum weltweit beziehungsweise in Europa um zwischen 0,5 und vier Prozent geringer ausfallen könnte als vor dem Krieg angenommen. Das sei eine sehr große Spanne, was eine reelle Einschätzung schwierig mache.
Schwere wirtschaftliche Folgen hat auch bereits die Corona-Krise gehabt. Aber die Staatssekretärin warnt davor, Parallelen zur jetzigen Situation zu ziehen: Während der Pandemie hätten die Menschen aufgrund der Corona-Schutzmaßregeln nicht konsumieren können. Es sei aber immer klar gewesen, dass dieser Konsum unmittelbar nach der Rücknahme der Maßnahmen wieder aufleben und die Wirtschaft wieder deutlich anziehen werde. Jetzt sei das ganz anders.
Unsicherheit auf den Märkten
Die Ukraine-Krise sorge für sehr viel Unsicherheit auf den Märkten. Teile der bisherigen Importe aus der Ukraine und Russland fielen weg. Dadurch könne es zu einem Mangel an Rohstoffen kommen. Das betreffe im Fall der Ukraine aber nicht etwa nur Getreide, sondern auch viele andere Rohstoffe wie zum Beispiel Nickel. Das werde die Märkte vollkommen ins Chaos stürzen. Man werde sehen müssen, wie sich das auf die belgische Wirtschaft auswirken werde. Das werde davon abhängen, wie lange und wie tief die Krise sein werde.
Ebenfalls noch viele Fragezeichen in puncto Folgen für den Haushalt gibt es dann aber auch noch wegen der zukünftigen Energiepolitik Belgiens. Je nachdem, was am Freitag oder in den nächsten Tagen entschieden werden könnte, wird die Staatskasse auch unterschiedlich stark zusätzlich belastet werden.
Neben all diesen noch nicht bezifferbaren Posten gibt es schon sehr konkrete Kosten - nämlich für die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge und die direkte und indirekte Unterstützung der Ukraine. Es gehe hier um enorme Beträge. Allein für die ersten Monate gehe man von 800 Millionen Euro aus, die im Haushalt nicht vorgesehen gewesen seien, so De Bleeker.
Boris Schmidt