Vincent Van Peteghem ist natürlich nicht nur der föderale Finanzminister. Er ist auch der Vizepremierminister der flämischen Christdemokraten CD&V in der Vivaldi-Regierung. Das und die damit zusammenhängenden internen Dynamiken sollte man immer berücksichtigen – wie natürlich auch bei allen anderen Mitgliedern der Föderalregierung. Dennoch ist er als Finanzminister natürlich eine der zentralen Figuren, wenn es um unter anderem die Energiepreise in Belgien geht.
Nicht wegschauen
"Wir können nicht wegschauen angesichts der historisch hohen Preise für Kraftstoff und auch Gas", unterstrich Van Peteghem am Dienstagmorgen bei der VRT. Die Regierung müsse die Familien und Arbeitnehmer so stark wie möglich unterstützen und das auch zeigen, so seine Forderung.
Dass die Spritpreise zum Beispiel nur eine Richtung kennen, nämlich steil nach oben, das habe man bereits im Herbst letzten Jahres gesehen. Dafür habe es weder den Krieg gebraucht, noch die Debatte um den belgischen Atomausstieg. Deswegen habe er ja auch schon im November das sogenannte 'umgekehrte Cliquet-System' auf den Tisch gelegt.
Damals sei sein Ziel gewesen, steigende Preise auf dem Markt durch eine automatische Verminderung der Akzisen teilweise zu kompensieren. Mittlerweile seien die Marktpreise aber so extrem hoch, dass mit dem umgekehrten Cliquet-System noch mehr getan werden könne: Nämlich dafür zu sorgen, dass die Preise an der Zapfsäule sinken könnten. Wie stark, darüber müsse noch gesprochen werden. Das hänge davon ab, welche budgetäre Anstrengung man unternehmen wolle, also wie stark die Regierung den Haushalt zusätzlich belasten wolle.
Für ihn seien die Energiepreise aber mittlerweile so hoch, dass er eine starke Unterstützung für angebracht halte, so Van Peteghem: Eine Unterstützung wie während der Corona-Krise. Damals habe man auch nicht auf den Staatshaushalt geschaut. Und er denke, dass man sich jetzt wieder so einer Situation gegenübersehe.
Umgekehrtes Cliquet-System
Das umgekehrte Cliquet-System könne sehr schnell eingeführt werden, alles liege bereit dafür. Sein Vorschlag liege ja schon eine geraume Zeit auf dem Tisch, aber es müsse endlich eine Entscheidung gefällt werden, wiederholte Van Peteghem ein ums andere Mal - eine kaum verhohlene Kritik an den Koalitionspartner.
Es sei natürlich das Vorrecht des Premierministers, die Agenda festzulegen, schob der CD&V-Vizepremier noch nach. Am stärksten scheint es aber woanders zu haken, nämlich vermutlich bei den Grünen. Die wollen ein Energiegesamtpaket schnüren: Keine Maßnahmen für die Kraftstoffe ohne gleichzeitige Einigung in anderen Energiepunkten. Und dazu gehören bekanntermaßen dornige Unter-Dossiers wie die Laufzeit der zwei jüngsten belgischen Atommeiler oder die verstärkte Förderung grünerer Energiequellen.
Was ihn betreffe, so müsse man diese Dinge nicht so aneinander koppeln, wie es "bestimmte" Parteien täten, so Van Peteghem, der keine Namen nannte. Die Zeit dränge. Er glaube, dass die Meinungen in den Köpfen mittlerweile so weit gereift seien, dass ein umgekehrtes Cliquet-System für Kraftstoffe beschlossen werden könne. Bei seinem letzten Vorstoß hatte es ja vor allem von der liberalen Seite Widerstand gegeben wegen der Auswirkungen auf den Haushalt.
Zu einer strukturellen Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas und Elektrizität hatte der Finanzminister im Übrigen auch noch etwas zu sagen: Er gehe davon aus, dass die Mehrwertsteuersenkung komme, so Van Peteghem.
Boris Schmidt