Von allen Seiten hagelt die Kritik auf die Föderalregierung ein, dass sie noch immer nicht zu einer Entscheidung in puncto entlastende Maßnahmen bei den Strom- und Gasrechnungen gekommen ist. Die waren ja eigentlich bis zum 1. Februar versprochen worden, also schon am Dienstag.
Ob das wirklich noch hinhaut, bezweifeln viele Beobachter angesichts der überaus zähen Verhandlungen innerhalb der doch ideologisch sehr heterogenen Regierungsmannschaft. Es müsse dringend eine Einigung kommen, bekräftigte auch die PS-Föderalministerin Karine Lalieux am Montagmorgen in der RTBF.
Werkzeugkasten mit Maßnahmen zur Entlastung
Sie hoffe wirklich, dass sich das Kernkabinett am Abend auf einen Werkzeugkasten mit Maßnahmen einigen werde. Dieser Werkzeugkasten umfasse einerseits den ausgeweiteten und verlängerten Sozialtarif - aber für sie auch einen Scheck, der direkt von den Energierechnungen aller Haushalte abgezogen werde, beziehungsweise zumindest von denen der Mittelklasse.
Energie sei ein Grundbedarfsmittel, deshalb müsse auch an der Mehrwertsteuer und an den Akzisen gearbeitet werden. Es sei nicht normal, dass darauf eine Mehrwertsteuer von 21 Prozent erhoben werde. Die Regierung müsse ein Signal geben. Und sie sei sicher, dass das noch diese Woche geschehen werde, einfach, weil es jetzt um die Glaubwürdigkeit der Regierung gehe.
Die Vorschläge lägen doch auf dem Tisch und man müsse endlich vorankommen. Die Menschen seien wegen der Energierechnungen in Schwierigkeiten, die Kaufkraft sei eine ständige Sorge - und zwar nicht nur für die sozial Schwachen, sondern auch für die Mittelklasse.
Vorschläge für Rentenreform schon länger bekannt
Die große Mission von Ministerin Lalieux ist aber natürlich ihre Rentenreform. Die entsprechenden Vorschläge hatte sie schon im September vorgelegt - und für reichlich Spannungen innerhalb der Koalition gesorgt, weil sie die Pläne in der Presse veröffentlicht hatte, bevor die Minister sie auf dem Tisch hatten.
Wegen des daraus folgenden Ärgers war die Diskussion über die Pläne von Premier De Croo auf 2022 verschoben worden. Am vergangenen Freitag konnte Lalieux ihren September-Vorschlag aber dann endlich im Kernkabinett vorstellen. Man sei sich mit dem Premierminister einig, dass die Rentenreform ein wichtiges Thema für die gesamte Regierung sei, so Lalieux.
Wichtigste Punkte des Rentenreformentwurfs
Zur Erinnerung seien die wichtigsten Punkte nochmal im Schnelldurchlauf genannt: Die Möglichkeit, ab 42 Laufbahnjahren in Rente zu gehen. Ein Pensionsbonus und andere Anreize, um länger als diese 42 Jahre zu arbeiten. Reduzierung der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen durch eine bessere Berücksichtigung von Teilzeitarbeit. Früherer Anspruch auf eine Mindestrente. Anpassung der Arbeitsumstände etwa für Menschen mit Einschränkungen.
Sie hoffe, dass die Rentenreform am 1. Januar 2024 in Kraft treten könne, zeigte sich Lalieux zuversichtlich. Dieses Dossier müsse in jedem Fall vor dem Ende der laufenden Legislatur unter Dach und Fach gebracht werden.
Es lägen konkrete Vorschläge auf dem Tisch und man arbeite in konstruktiver Weise daran. Sie habe die Zeit seit September auch genutzt, um bereits eine erste Gesprächsrunde mit den Sozialpartnern zu führen. Auch mit Mitgliedern der Mehrheitsparteien, Akademikern und Vertretern der Zivilgesellschaft soll Lalieux nach Medienberichten in den vergangenen Monaten bereits über ihre Vorschläge gesprochen haben.
Wegen dieser Ausgangslage und der Wichtigkeit des Themas hoffe sie trotz der grundsätzlichen Differenzen insbesondere zwischen Liberalen und Sozialisten nicht, dass die Rentenreform nach den Energierechnungen zur nächsten Blockade innerhalb der Föderalregierung führen werde.
Würdige und gerechtere Renten seien zwar ein sozialistisches Anliegen, aber doch auch ein Anliegen der Gesellschaft, unterstrich die Pensionsministerin.
Boris Schmidt