Es ist noch nicht so lange her, da machten regelmäßig Bilder die Runde von verzweifelten Asylsuchenden, darunter auch unbegleitete Minderjährige, die in Brüssel und anderswo abgewiesen werden mussten, weil es in den Auffangzentren keine Plätze mehr gab. Dieses Problem ist mittlerweile gelöst - zumindest für den Augenblick.
Denn der Druck auf die Auffangzentren bleibt sehr hoch, wie Asylstaatssekretär Sammy Mahdi auch bei der VRT unterstrich. Mit rund 30.000 Auffangplätzen habe Belgien inzwischen sehr viele Plätze und weitere kämen hinzu. Aber immer nur weiter neue Plätze zu schaffen sei keine Lösung, so Mahdi weiter.
Für sehr viel Druck auf das Auffangsystem sorgten nämlich auch Menschen, die schon in anderen europäischen Ländern Asyl beantragt hätten. Das sei eine sehr große Gruppe Menschen, führte der Asylstaatssekretär aus: rund 11.000 im Jahr 2021.
Zum Vergleich: Vor Corona, 2018, waren es noch 8.000, eine deutliche Zunahme also. Diese Menschen hätten also bereits in einem anderen europäischen Land Anspruch auf Unterbringung und Verpflegung. Aber statt die Prozedur wie vorgeschrieben dort zu durchlaufen, kämen sie nach Belgien und stellten einen neuen Asylantrag. Das widerspreche den europäischen Regeln, den sogenannten "Dublin-Regeln".
Nach diesen Dublin-Regeln sei es im Prinzip auch so, dass Belgien innerhalb von sechs Monaten die Einreicher von Mehrfachanträgen in das EU-Land zurückschicken könne, in dem der erste Antrag gestellt worden sei. Das funktioniere aber vor allem aus zwei Gründen aktuell sehr schlecht.
Zum einen verlangten die Aufnahmeländer aufgrund der Corona-Situation einen PCR-Test. Wenn der verweigert werde, dann könne man die Menschen nicht zurückschicken. Zum anderen funktioniere die Zusammenarbeit mit bestimmten EU-Ländern schlecht, sprich: sie wollten die Menschen nicht zurücknehmen. Und wenn die Antragsteller so länger als sechs Monate in Belgien blieben, dann werde Belgien zuständig für sie. Auf Basis dieser Umstände müsse es aber möglich sein, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, damit der Druck auf das belgische Auffangsystem nicht noch größer werde.
Zu diesem Fünf-Punkte-Aktionsplan des Asylstaatssekretärs gehört zunächst eine intensive Begleitung und Kontrolle von Mehrfachantragstellern, die zurückgeschickt werden sollen. Diese Personen sollen in den Auffangzentren selbst orientiert oder in regionalen Rückkehrbüros beraten werden. Wer sich danach immer noch weigere, in das Land seines Erstantrags auszureisen, der solle das Recht auf seinen Auffangplatz in Belgien verlieren können.
Außerdem solle die Frist für die sogenannten Dublin-Transfers deutlich verlängert werden für Personen, die PCR-Tests verweigerten. Durch die Verlängerung von sechs auf 18 Monate sollen die Asylbewerber länger begleitet werden können - und hat Belgien länger Zeit, sie in ein anderes Land zurückzuschicken. Das Ablegen von PCR-Tests soll auch verpflichtend werden.
Es soll auch eine deutliche personelle Aufstockung der "Dublin"-Zelle des Ausländeramtes geben, also der Zelle, die für solche Fälle zuständig ist: 26 neue Mitarbeiter sollen hier dabei helfen, die Regeln strenger durchzusetzen.
Bei der Vergabe von Auffangplätzen soll es zukünftig auch eine Priorisierung geben: Schutzsuchende, die noch keinen Asylantrag in einem anderen europäischen Land gestellt hätten, müssten Vorrang bekommen.
Und schließlich werde das Ausländeramt auch noch seine Abschreckungskampagnen verstärken. Das bedeute etwa, dass in Herkunftsländern, aus denen besonders selten Asylanträge anerkannt würden, Menschen noch vor ihrer Abreise von ihrem Vorhaben abgebracht werden sollen. Oft zirkulierten hier nämlich irreführende Informationen, die Menschen, die gar keinen Anspruch auf Schutz hätten, falsche Hoffnungen machten, so Mahdi.
Boris Schmidt