Des einen Freud ist des anderen Leid – dieses altbekannte Sprichwort trifft zweifelsohne auch auf die Preisentwicklung auf dem Haus- und Wohnungsmarkt zu. Während sich Besitzer und damit potenzielle Verkäufer die Hände reiben können über ihr Immobilien-"Gold", scheint der Weg zum Eigenheim für Kaufinteressenten quasi täglich steiniger zu werden.
Diese Entwicklung ist natürlich nicht neu. Aber dennoch scheint sie durch die Corona-Krise den Turbogang eingelegt zu haben. Das belegen auch die Zahlen für das gerade zu Ende gehende Jahr 2021. Das ist laut den Daten des Immobilienbarometers nämlich gleich in mehrfacher Hinsicht ein Rekordjahr.
Noch nie sind in einem Jahr so viele Häuser und Apartments verkauft worden: im landesweiten Durchschnitt eine Steigerung von über 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Pandemie-Jahr 2020 gab es im Vergleich zum bisherigen Rekordjahr 2019 allerdings auch einen kleineren Rückgang. Vergleicht man aber 2019 und 2021, so geht es immer noch um eine mehr als stattliche Zunahme von rund zehn Prozent. Am stärksten legten die Verkäufe dabei in Antwerpen, sowie in Ost- und Westflandern zu. Bei den Notaren ist man positiv überrascht. Allgemein war nämlich erwartet worden, dass sich die Gesundheitskrise deutlich negativer auf den Markt auswirken würde.
Ebenfalls Rekorde sind bei den erzielten Verkaufspreisen zu vermelden: Der Durchschnittspreis für ein Haus in Belgien ist im letzten Jahr um 7,5 Prozent gestiegen auf mittlerweile 297.611 Euro. Inflationsbereinigt sind das plus 13.000 Euro beziehungsweise 4,6 Prozent. Entsprechendes gilt auch für Wohnungen, auch wenn die Wertsteigerung hier ein wenig schwächer ausgefallen ist: 5,2 Prozent mehr und damit 257.228 Euro muss man mittlerweile im Schnitt für ein Apartment berappen, inflationsbereinigt 6.000 Euro beziehungsweise 2,3 Prozent mehr als noch 2020.
Besonders beliebt bei den Käufern sind dabei weiterhin Wohnungen mit drei Schlafzimmern. Das ist eine bekannte Folge der Corona-Krise und der damit zusammenhängenden Umstellung der Lebens- und Arbeitsbedingungen vieler Menschen.
Allerdings könnte es durchaus sein, dass der Boom auf dem Immobilienmarkt sich langsam abschwächt. Zumindest scheinen einige Indikatoren für die zweite Jahreshälfte 2021 in diese Richtung zu weisen. In diesem Zeitraum sind die Immobiliengeschäfte im Vergleich zur ersten Jahreshälfte um 11,3 Prozent zurückgegangen. 2020 hatte das Geschäft hingegen zum Jahresende scharf angezogen.
Weil es anfangs wegen der Pandemie keine Besichtigungen gegeben habe, hätten viele Interessenten nicht kaufen können, so Bart van Opstal, Sprecher der Notarvereinigung, in der VRT. In der Folge habe es dann eine deutliche Aufholbewegung gegeben, die aber bis zur zweiten Jahreshälfte größtenteils abgeschlossen war. Das bedeute, dass sich die Transaktionen jetzt wieder eher auf einem Niveau einpendelten wie man es 2019 gekannt habe, also vor Corona.
Diese mögliche Abkühlung des Marktes sei in allen drei Regionen des Landes zu beobachten. Dadurch werde das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage beziehungsweise zwischen Verkäufer und Käufer wieder ausgeglichener, so van Opstal.
Eine gute Nachricht – zumindest für bestimmte Menschen, die auf der Suche nach einer Immobilie sind – gibt es aber tatsächlich auch: Im günstigsten Marktsegment bis zu 300.000 Euro sind die Preise im letzten Quartal nämlich sogar gesunken. Diese Entwicklung ist insbesondere auch deswegen bemerkenswert, weil die Preise in den vergangenen Jahren im letzten Quartal immer gestiegen sind.
Das kann laut Bart van Opstal zumindest zum Teil dadurch erklärt werden, dass es zahlreiche Immobilien gibt, die schlicht und ergreifend nicht mehr den Erwartungen und Wünschen der heutigen Kaufinteressenten entsprechen. Aufgrund von Corona wollten die Menschen mehr Raum, also etwa ein zusätzliches Zimmer oder natürlich auch einen Garten. Es gebe aber viele Immobilien, die diesen Kriterien nicht genügten und deshalb weniger stark nachgefragt würden. Die logische Folge sei der jetzt zu beobachtende sinkende Wert für diese Art von Immobilien.
Das ist aber nicht die einzige Erklärung, wie van Opstal betont: In Flandern etwa sinken im kommenden Jahr die Registrierungsgebühren. Grund genug für so manchen, mit dem Kauf seiner ersten Wohnung doch noch etwas zu warten.
Ein Trend, der sich hingegen auch 2021 fortgesetzt hat, ist, dass der Anteil jüngerer Immobilienkäufer unter 30 Jahren weiter gesunken ist. Das liegt auch daran, dass die Konkurrenz durch die 30- bis 50-Jährigen auf dem Wohnungsmarkt zugenommen hat, so der Sprecher der Notarvereinigung.
Boris Schmidt