Am frühen Nachmittag kam Vande Lanotte mit den Vorsitzenden der flämischen Parteien CD&V, N-VA, Groen! und seiner eigenen SP.a zusammen. Auch ihnen diente die Note als Vorlage, die er schon mit den frankophonen Parteipräsidenten besprochen hatte. Auch hier erwartete ihn Kritik. Für einige flämische Parteien gehen seine Vorschläge nicht weit genug, für einige frankophone schon zu weit.
Die Französischsprachigen haben sich alle bereit erklärt, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Doch sie werden eine Reihe von Abänderungsvorschlägen machen, vor allem zur Revision des Finanzierungsgesetzes. Es ist zu erwarten, dass die flämischen Parteien sie mit einem Sperrfeuer belegen werden, während sie zugleich selbst Änderungen vorschlagen.
Alle wissen, dass die Vande Lanotte-Note die beste Verhandlungsgrundlage seit den Wahlen bietet. Sie bündelt die verschiedenen Vorschläge, zeigt die Alternativen auf und berechnet objektiv die finanziellen Auswirkungen eines jeden Modells. Wenn die sieben Parteien tatsächlich zusammen regieren wollen, müssen sie diese Gelegenheit beim Schopf ergreifen und konstruktiv miteinander verhandeln.
Wenn nicht, drohen Neuwahlen, deren Ausgang unvorhersehbar wäre. Sicher ist nur, dass sie keine Annäherung zwischen den beiden großen Gemeinschaften herbei führen würden. Im Gegenteil, Flandern und der frankophone Landesteil entwickeln sich immer mehr zu zwei verschiedenen Welten. So bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als die Beratungen wieder aufzunehmen. Am besten unter der Führung des erfahrenen Verfassungs- und Finanzsachverständigen Vande Lanotte.
Dieser hat schon eine Kompromiss-Note über BHV und die Finanzierung der Region Brüssel für die nächste Etappe bereitgelegt. Der N-VA hat er den Vorwurf gemacht, seine Vorschläge zu torpedieren, weil sie eigentlich keinen Kompromiss wolle. Die flämischen Sozialisten unterstellen der N-VA, die Opposition anzustreben, um dann nach Herzenslust auf der neuen Regierung herumzuhacken.
Vande Lanotte drohte damit, das Handtuch zu werfen, wenn die flämischen Nationalisten kein deutliches Signal geben würden, dass sie tatsächlich an einem Abkommen mit den Frankophonen interessiert sind. Am Nachmittag erklärten die vier flämischen Parteipräsidenten, also auch Bart De Wever, sie hätten keine versteckten Pläne und strebten alle eine Lösung der politischen Krise an.
Bisher hat keine Seite die letzten Brücken gesprengt, die über den tiefen Graben zwischen den beiden großen Gemeinschaften führen. Der königliche Vermittler Vande Lanotte kann sie als Wanderer zwischen zwei Welten noch benutzen und verstärken, so dass sie auch von anderen wieder begangen werden können. Auch das gehört zum Auftrag, den das Staatsoberhaupt ihm gegeben hat.
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