Polizeiverantwortliche sehen in dem Coup den Beweis dafür, dass sich die Drogenmafia immer weiter ausbreitet. Allerdings fehle es den Ermittlern an den erforderlichen Mitteln, um wirklich entschlossen gegen das Problem vorgehen zu können.
In der Netflix-Serie Narcos stehen die kolumbianischen Drogenkartelle im Mittelpunkt, bei denen es oft ziemlich hart zur Sache geht. Inzwischen kann man den Eindruck gewinnen, dass die die Realität fast schon die Fiktion übertrifft, sagt François Farcy in der RTBF, der Generaldirektor der Föderalen Kriminalpolizei in Lüttich.
Farcy bezieht sich dabei auch auf die Drogenrazzia im Raum Lüttich. Die Polizei- und Justizbehörden hatten 23 Hausdurchsuchen durchgeführt. 300 Polizisten kamen dabei zum Einsatz. Es gab sogar Unterstützung von der Armee. Insgesamt 27 Personen wurden festgenommen.
Durchsucht wurden in erster Linie Gebäude in der Provinz Lüttich, aber auch noch einige in den Provinzen Limburg und Ostflandern. Dabei waren die Ermittler auf eine "professionelle" Infrastruktur gestoßen: Drogenlabore, Lagerhallen - alles perfekt organisiert, wie ein "richtiges" Unternehmen. Entsprechend hoch fallen auch die sichergestellten Drogenmengen aus.
"Die Ermittler seien auf 1,6 Tonnen Kokain gestoßen, in unterschiedlicher Form", sagte in der RTBF Eric Van Duyse, Sprecher der Föderalen Staatsanwaltschaft. Die Drogen hätten einen Straßenwert von mindestens 80 Millionen Euro.
Daneben wurden auch Bargeld und Luxusgüter sowie rund ein Dutzend Fahrzeuge beschlagnahmt. Aber auch zehn Feuerwaffen, darunter fünf Kalaschnikow-Sturmgewehre. Allein das zeigt, dass die Bande offensichtlich nicht zimperlich war.
"Nicht umsonst habe der Föderale Staatsanwalt Frédéric Van Leeuw schonmal augenzwinkernd gesagt, dass er kein Netflix-Abo brauche", sagt François Farcy von der Föderalen Kriminalpolizei. Wir sind inzwischen auch in Belgien mit einer sehr entschlossenen Drogenmafia konfrontiert.
Belgien hat sich offensichtlich neben den Niederlanden zu einer Drehscheibe für den internationalen Drogenhandel entwickelt. Das hat natürlich mit dem Antwerpener Hafen zu tun, der als eines der wichtigsten Einfallstore gilt.
Auch im vorliegenden Fall seien die Drogen wohl vornehmlich über Antwerpen geschleust worden, sagte in der VRT Eric Van der Sijpt, Sprecher der Föderalen Staatsanwaltschaft, genauso wie über Rotterdam. Insgesamt sprechen wir hier von 15 Tonnen.
Die Ermittler wissen das so genau, weil sie mitgehört haben. Im März dieses Jahres hatten die belgischen Polizei- und Justizbehörden bekanntgegeben, dass sie das Kommunikationssystem SkyECC geknackt hatten. Das Netzwerk galt als nicht zu entschlüsseln und war deshalb bei Kriminellen sehr beliebt. Diese konnten nicht ahnen, dass die Polizei eine ganze Zeitlang mitgehört und mitgelesen hat.
Auch der Fahndungserfolg von Montag sei zumindest teilweise auf diesen Coup zurückzuführen, sagt Eric Van der Sijpt. Die Untersuchung habe zwar schon vor drei Jahren begonnen. Doch habe die Entschlüsselung von SkyECC wertvolle Erkenntnisse geliefert, die letztlich den Zugriff ermöglichst hätten.
Das Problem sei aber, hakt François Farcy von der Föderalen Kriminalpolizei ein: Die Drogenmafia nutzt natürlich längst ein neues Kommunikationssystem. Und diesen Leuten stehen ja quasi unbegrenzte Mittel zur Verfügung. Man müsse denn auch aufpassen, dass man nicht die Kontrolle verliere. Soweit sei es aber noch nicht, versichert Farcy.
Wir müssen allerdings zugeben, dass die Polizei mit den Mitteln, die ihr heute zur Verfügung stehen, dem Problem nicht beikommen können. Deswegen - auf die Gefahr hin, dass es sich aus dem Mund von Behördenvertretern immer gleich anhört - plädiere er für eine Aufstockung der Mittel für die Polizei.
Roger Pint