Um zu wissen, dass die Energiepreise aktuell nur eine Richtung - nämlich steil aufwärts - zu kennen scheinen, braucht man keinen Bericht der Creg. Aber die 85-seitige Analyse ist durchaus hilfreich, um die Preisentwicklung zu verstehen. Sie hilft vielleicht auch, mögliche Konsequenzen und zukünftige Entwicklungen besser einschätzen zu können.
Aber zunächst der unübersehbare Elefant im Raum, der am Mittwoch auch groß in allen Medien zu lesen ist: um wieviel die Energierechnung teurer geworden ist im Vergleich zum September letzten Jahres. Im Durchschnitt muss ein Haushalt rund 115 Euro mehr für Elektrizität zahlen und circa 600 Euro mehr für Gas, so Creg-Direktor Laurent Jaquet am Mittwochmorgen in der RTBF. Das macht in der Summe Mehrkosten von in etwa 715 Euro pro Jahr.
Das betrifft aber zunächst einmal bekanntermaßen variable Energieverträge. Deswegen muss man mit diesen Zahlen auch immer vorsichtig umgehen, so Jacquet: Rund 68 Prozent der belgischen Haushalte haben feste Verträge fürs Gas und bei 64 Prozent ist das auch für die Elektrizität der Fall. Das ist laut der Creg auch bei professionellen Kunden ähnlich. Fast zwei Drittel der belgischen Verbraucher sind also zumindest theoretisch zunächst einmal vor den Auswirkungen der sich immer schneller drehenden Preisspirale geschützt - zumindest bis ihr jeweiliger Vertrag ausläuft.
Hier sollte man aber durchaus auch auf das Wörtchen "theoretisch" achten. In der heutigen Gesetzgebung, in der sogenannten "Verbrauchervereinbarung", ist durchaus vorgesehen, dass der Energielieferant die Preise auch bei festen Verträgen erhöhen kann. Allerdings muss der Lieferant dem Kunden objektiv nachvollziehbar erklären, warum das notwendig ist.
Gründe für Explosion
Bei den Gründen für die Explosion der Energiepreise bietet die Creg hingegen keine Überraschungen: Einerseits ist da die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise. Die führe vor allem in Asien, namentlich in China, zu einem erhöhten Energiebedarf. Hinzu kämen relativ niedrige Gas-Lagerbestände in Europa und Unsicherheitsfaktoren mit Gaslieferungen aus Russland. Außerdem sei der Preis für CO2 eben auch gestiegen. Ein weiterer Faktor: Die Märkte seien sehr, sehr nervös, unterstreicht der Creg-Direktor. Als etwa die Rede davon war, dass der anstehende Winter möglicherweise strenger werden könnte, führte das unmittelbar zu einem Preissprung von zehn Prozent beim Gas und bei der Elektrizität.
Solche Entwicklungen habe man bisher kaum gekannt, so Jaquet. Dennoch scheine man auch einen anderen Aspekt gerade gelegentlich zu schnell zu vergessen: Im letzten Jahr seien die Energierechnungen im Schnitt sehr, sehr niedrig ausgefallen. Anders gesagt: Hier vergleicht man Extreme an den unterschiedlichen Enden des Spektrums, was die Preissteigerungen auf ein Jahr berechnet noch extremer erscheinen lässt.
Von einer "Energie-Krise" will der Creg-Direktor jedenfalls nicht sprechen. Viele Analysten gingen davon aus, dass die jetzige Periode nicht länger als einige Monate dauern werde. Auf dem Energiemarkt gehe man aktuell davon aus, dass die Preise ab dem Frühling zu sinken beginnen würden, mit greifbareren Ergebnissen zum Sommer hin.
Was die jetzige Situation und die hitzigen politischen Debatten über Gegenmaßnahmen angeht, hält sich Laurent Jacquet bedeckt. Die Creg habe sich angeschaut, was im Ausland unternommen worden sei, denn schließlich handele es sich ja um ein europäisches, um nicht zu sagen weltweites Problem. Im neuen Bericht seien die Vor- und Nachteile der verschiedenen möglichen Maßnahmen aufgelistet. Das und nicht mehr sei der Job der Creg als Regulator. Die Wahl und Entscheidungen zu treffen, das sei Aufgabe der Regierung nach einer politischen Einigung, betonte Jacquet.
Boris Schmidt