10. Oktober 2018: Operation Zero tritt in ihre heiße Phase ein. Zeitgleich werden 44 Hausdurchsuchungen durchgeführt. 29 Verdächtige werden festgenommen. Der spektakuläre Auftakt des belgischen Fußballbetrugsskandals.
Was damals ans Licht kam, war einfach nur haarsträubend. Nicht nur, dass wegen Betrugs und Geldwäsche ermittelt wurde, sondern es stand auch noch der Verdacht im Raum, dass mindestens zwei Spiele manipuliert wurden.
Der belgische Profifußball wurde also bis in seine Grundfeste erschüttert. Zumal bei besagter Razzia am 10. Oktober 2018 ausnahmslos alle großen belgischen Clubs im Fadenkreuz waren.
Unter den Beschuldigten sind allen voran Spielervermittler, aber auch Clubverantwortliche, Trainer, Ex-Spieler, sogar Schiedsrichter und Journalisten. Eine lupenreine "Affäre" also. Nicht umsonst hat man die Ermittlungen inzwischen umgetauft in "Operation Saubere Hände", in Anlehnung an die juristischen Untersuchungen gegen die Mafia in Italien.
"Mafia" ist vielleicht ein gutes Stichwort. Denn, wenn der belgische Fußball innerlich so verfaulen konnte, dann auch, weil eine Art Omertà vorherrschte: das Gesetz des Schweigens. Bezeichnend denn auch: Ausgerechnet in dieser Affäre wurde zum ersten Mal von der damals neuen Kronzeugenregelung Gebrauch gemacht.
Der serbische Spielervermittler Dejan Veljkovic entschloss sich, auszupacken. Veljkovic war nicht irgendwer. Er und sein Spielervermittlerkollege Mogi Bayat gelten als die beiden Spinnen im Netz. Sie hatten - übrigens unabhängig voneinander - ein System aufgebaut, um Provisionen am Fiskus vorbeizuschleusen.
Im November 2018, einen Monat nach der Großrazzia, beantragt Veljkovic also eine Kronzeugenregelung. Im Gegenzug erhofft er sich freilich Strafmilderung. Nur kriegt man die natürlich nicht umsonst, sagte Veljkovics Anwalt, Kris Luyckx, in der VRT-Fernsehsendung De Afspraak.
Voraussetzung war, dass sein Mandant umfassende und substantielle Aussagen machte. Es reicht also bestimmt nicht, mal eben ein Parkknöllchen zuzugeben. Auch mussten seine Angaben glaubwürdig sein.
Die Polizei hat denn auch alle Aussagen Veljkovics auf ihren Wahrheitsgehalt abgeklopft. Sein Mandant sei innerhalb der letzten zwei Jahre knapp fünfzig Mal verhört worden, sagt Kris Luyckx. Inzwischen scheint die Justiz mit den von Dejan Veljkovic gelieferten Angaben zufrieden zu sein.
Fakt ist, dass der Deal jetzt festgeklopft wurde: Veljkovic muss nicht mehr ins Gefängnis, stattdessen bekommt er fünf Jahre Haft auf Bewährung und muss eine Geldbuße von 80.000 Euro zahlen.
Obendrauf wird alles Geld beschlagnahmt, das er im Rahmen seiner Tätigkeit als Spielervermittler illegal verdient hat. Das entspricht, dem Deal mit der Staatsanwaltschaft zufolge, vier Millionen Euro. Das Abkommen sei unterschrieben und es müsse nur noch vom zuständigen Antwerpener Appellationshof formal abgesegnet werden.
Für Dejan Veljkovic ist damit diese Angelegenheit soweit beendet. Für die anderen Beschuldigten muss die heiße Phase erst noch beginnen. Die Ermittlungen sind anscheinend soweit abgeschlossen. Und es ist zweifelsohne Dejan Veljkovic, der mit seinen Aussagen dem Fall eine neue Dimension gegeben hat.
Sein Anwalt Kris Luyckx spricht etwa von 50 Transfers von Spielern oder Trainern, die sein Mandant eingefädelt hat und bei denen es Unregelmäßigkeiten gab. 50 Transfers, das sind 100 Verträge, bei denen Betrug im Spiel war.
"Betrug" heißt in den meisten Fällen, dass die Provisionen unter der Hand gezahlt wurden. Allein durch die Hände von Veljkovic seien 40 Millionen Euro an Schwarzzahlungen aller Art gegangen. Aber: 50 Transfers, 100 Verträge ... man ahnt es schon: "So gut wie alle Clubs sind mit diesen Praktiken - mal mehr, mal weniger - konfrontiert gewesen", sagt Kris Luyckx.
Wenn der Belgische Fußballbund konsequent ist und seine eigenen Regeln strikt befolgt, wäre die Konsequenz für viele dieser Clubs der Zwangsabstieg, sagt Luyckx. Unter diesen Bedingungen blieben in der Profiliga im nächsten Jahr nicht mehr allzu viele Clubs übrig.
Soweit ist es aber noch nicht und soweit müsse es auch nicht kommen, sagen Beobachter. Es gebe da durchaus noch Möglichkeiten, sich rauszureden. Dennoch sei die Nervosität bei einigen Clubs in diesen Tagen durchaus spürbar.
Roger Pint