Am Montagabend, kurz nach 23:00 Uhr. So ein bisschen überall in Flandern beobachten Menschen eine seltsame Erscheinung am Himmel. Einige von ihnen schnappen sich das Handy und halten mit der Kamera drauf. Ein helles Dreieck, das fast in der Luft zu stehen scheint.
Augenzeugen melden ihre Beobachtungen bei der Ufo-Beobachtungsstelle, dem "belgischen Ufo-Meldpunt". Sichtungen seien aus ganz Flandern gemeldet worden: aus Ypern ganz im Westen, aber dann auch aus Ostflandern, Flämisch-Brabant, dem Raum Antwerpen und auch der Provinz Limburg. Auch noch am Morgen seien Meldungen eingegangen, sagte Koordinator Frederick Delaere in der VRT. Und in der Tat, immer dieselbe Beschreibung: ein sehr helles Dreieck, das sich kaum bewegt, und dann ganz plötzlich verschwindet. Dass das Ereignis an so vielen Orten in Flandern zu sehen war, lasse darauf schließen, dass sich das Ganze in großer Höhe abgespielt hat, sagt der Experte.
Dem einen oder der anderen wird wohl das Wort "Ufo" durch den Kopf geschossen sein. Ufo, das muss ja nicht gleich grüne Männchen heißen, aber immerhin, dem Wortsinn nach, ein "unidentifiziertes Flugobjekt". Und, warum sollten die ausgerechnet über Belgien fliegen. Nun, das wäre jedenfalls nicht das erste Mal. So mancher erinnert sich vielleicht noch an die Belgische Ufo-Welle von 1989 bis 1992, die damals für weltweite Schlagzeilen sorgte.
Aber, Stopp! Bevor der eine oder andere Science-Fiction-Fan jetzt schon ins Schwelgen gerät: Sooo unidentifiziert war die Lichterscheinung am flämischen Nachthimmel dann (leider) doch nicht. Die Experten von der Ufo-Hotline hatten das Rätsel schnell gelöst. Einige Stunden vor den Sichtungen gab's nämlich ein Ereignis im fernen Kalifornien.
Um 17:16 Uhr belgischer Zeit hebt am Luftwaffenstützpunkt Vandenberg eine Atlas-V-Rakete ab, um den Forschungssatelliten Landsat 9 in eine Umlaufbahn um die Erde zu bringen. Und das läuft so ab, sagt Frederick Delaere: Wenn die Rakete die angepeilte Höhe erreicht hat, wo sie den Satelliten absetzt, dann wird sie abgebremst. Wenn sie dann wieder die Atmosphäre eintritt, dann zünden zwei Steuertriebwerke. Verbranntes Gas tritt aus, und das reflektiert dann das Sonnenlicht. Und es ist eben das, was die Menschen gesehen haben.
Also nicht mit "unidentifiziert"; es gibt eine rationale Erklärung für das Phänomen. Wer sich schon immer gewünscht hat, einmal im Leben ein Ufo zu sehen, der war angesichts dieser Erklärung vielleicht etwas enttäuscht. Wobei: Es sei extrem selten, dass man ein solches Schauspiel beobachten kann, sagt Frederick Delaere von der Ufo-Hotline. Das mag also ein kleiner Trost sein; die Menschen haben durchaus etwas Besonderes gesehen.
Beim "belgischen Ufo-Meldpunt" gehen übrigens regelmäßig solche Meldungen ein. Allein in diesem Jahr waren es bislang über 140. Im letzten Jahr hat die Hotline sogar 450 Sichtungen gezählt, ein Rekord, was wohl mit dem Lockdown zusammenhängt: Die Menschen hatten einfach die Zeit, den Himmel zu beobachten.
In den allermeisten Fällen können wir eine Erklärung für die Phänomene liefern, sagt Frederick Delaere. Und die allermeisten Menschen geben sich damit auch zufrieden. Bis auf einige wenige Hardcore-Believern, die felsenfest daran glauben wollen, dass wir Besuch von Außerirdischen hatten. Diese Leute kann man natürlich mit vernünftigen Argumenten nur sehr schwer überzeugen.
Roger Pint