58 Tage sind seit den Wahlen vom Juni inzwischen vergangen. Eine neue Regierung hat Belgien immer noch nicht.
Der vom Staatsoberhaupt eingesetzte Vermittler, der die Verhandlungen - etwa zum Finanzierungsgesetz - wieder flott machen soll, arbeitet nach der Vorlage seines Zwischenberichts indes weiter. Johan Vande Lanotte hat gestern eine neue Reihe von bilateralen Gesprächen begonnen.
Johan Vande Lanotte versucht also weiter, mit einer Politik der kleinen Schritte all jene Verhandlungspartner wieder einander näher zu bringen, die seit den Wahlen versuchen, eine Staatsreform und eine neue Föderalregierung auf den Weg zu bringen.
Gleichzeitig will er das Vertrauen zwischen allen an den Verhandlungen Beteiligten wiederherstellen. Das ist Vande Lanotte teilweise bereits gelungen: PS Parteichef Elio Di Rupo und N-VA Chef De Wever haben unlängst wieder miteinander diskutiert. Das Misstrauen scheint einem wieder wachsenden Vertrauen Platz zu machen.
Nachdem die verschiedenen Zahlenmodelle zu den möglichen Folgen und Auswirkungen einer Novellierung des Finanzierungsgesetzes vorliegen, versucht Vande Lanotte jetzt die Vertreter von N-VA, PS, SP.A, CD&V, cdH, Ecolo und Groen einander wieder anzunähern.
Hierzu bespricht er die von der Notenbank und dem Planbüro erarbeiteten Zahlenmodelle zum Finanzierungsgesetz mit den einzelnen Parteien. Als erste folgte gestern eine Delegation der neuen flämischen Allianz der Einladung von Johan Vande Lanotte zu einem solchen neuen Sondierungsgespräch. Bis Samstag will Vande Lanotte dann nacheinander bei jeder der sieben Parteien den Puls in Bezug auf die Zahlen zur Reform des Finanzierungsgesetzes genommen haben.
Sonntag und Montag hat der flämische Sozialist nach eigenen Angaben dann vor, zu prüfen, ob es möglich ist, die Konturen zu einem Abkommen über die Reform des Finanzierungsgesetzes deutlicher abzustecken. Unterdessen ist inzwischen klar, dass es vor dem Ende dieses Jahres nicht mehr zu einer Einigung hierüber kommen dürfte.
Auch die Regierungsbildung mit einer ihr voraus gegangenen Einigung zu einer gründlichen Verfassungs- bzw. Staatsreform ist nichts mehr für dieses Jahr. Klar scheint auch, dass es dieses Jahr wohl nicht noch zu Neuwahlen kommen wird. Das obwohl die eine oder andere Partei hinter vorgehaltender Hand zugibt, sich dennoch für den Fall der Fälle hierauf vorzubereiten.
Unklar bleibt derweil, was passieren würde, wenn Johan Vande Lanotte mit seinem Auftrag zur Vermittlung scheitert. Wird tatsächlich ein Kompromiss von allen angestrebt, dann wäre eine gescheiterte Vermittlermission Vande Lanottes eben nur eine weitere Etappe gewesen. Und derzeit sieht es so aus, als werde der Kompromiss von allen noch angestrebt. Eine neue Föderalregierung ist damit aber immer noch nicht in Sicht.
Wäre der scheidende Premier Leterme in diesem Fall bereit, mit Befugnissen, die über die einer scheidenden Regierung hinausgehen, vorübergehend weiterzumachen? Leterme: "Die nur noch die Amtsgeschäfte führende scheidende Regierung um zusätzliche Befugnisse zu erweitern, steht nicht zur Debatte. Das Ergebnis der Wahlen vom Juni muss respektiert werden. Das Wichtigste kann auch die scheidende Regierung erledigen. Je schneller eine neue Regierung aber an den Start geht, desto besser…"
Bild: belga