Der Begriff "Explosion" ist keine Übertreibung, wenn man sich die Energiepreise auf dem Großmarkt ansieht. Sowohl für Gas als auch für Elektrizität haben sie im zweiten und dritten Quartal ein historisch hohes Niveau erreicht. Wie sich das konkret auf die Endverbraucher auswirken wird, ist immer schwierig zu beziffern. Aber die Creg, die föderale Energieregulierungskommission, hat dennoch Schätzungen auf der Basis unterschiedlicher Annahmen veröffentlicht.
Wie hoch die Zusatzbelastung ausfällt, hängt unter anderem davon ab, ob die Kunden feste oder variable Verträge haben. Bei festen Verträgen sind sie etwa für die Dauer des Vertrages geschützt. Bei den variablen Verträgen, die also von den aktuellen Marktpreisen abhängig sind, sieht das ganz anders aus. Falls sich die Preise im vierten Quartal wieder normalisieren sollten, dann muss ein Haushalt mit einem mittleren Verbrauch mit jährlichen Mehrkosten von 84 Euro fürs Gas und 49 für den Strom rechnen, also 133 Euro insgesamt.
Das ist aber eben nur der beste Fall: Falls sich die Preise nicht wieder beruhigen sollten, stehen uns wirklich gesalzene Rechnungen ins Haus. Dann geht die Creg, je nach Konstellation, von Zusatzkosten von über 700 Euro aus in diesem Jahr. Eine potenziell ziemlich bittere Pille also.
Diese Energiepreissteigerungen haben im Übrigen nichts mit dem geplanten Atomausstieg in Belgien zu tun. Und dafür fast alles mit der Lage auf dem Gasmarkt. Die ist so angespannt, dass manche Experten sogar einen Gasmangel für den Winter befürchten.
Aber woran liegt das? Zunächst an einer eigentlich guten Nachricht: Die Wirtschaft erholt sich weltweit von der Corona-Krise. Während der Pandemie war der Verbrauch und damit die Nachfrage nach Gas stark gesunken, weil etwa viele Fabriken und Unternehmen stillstanden. Das hat auch dazu geführt, dass zum Beispiel die europäischen Energielieferanten ihre Reserven nicht aufgestockt haben. Gasexportierende Länder mussten teilweise ihre Kapazitäten herunterfahren. Jetzt steigt die Nachfrage nach Gas aber wieder enorm, insbesondere in Asien. Wir haben also eine Situation mit einem reduzierten Angebot und einer erhöhten Nachfrage. Und weil Gas zur Produktion von Elektrizität eingesetzt wird, steigen eben auch die Strompreise empfindlich.
Es sei sehr schwierig, direkt Einfluss auf die Marktpreise zu nehmen, erklärte die föderale Energieministerin, Tinne Van der Straeten von Groen, in der VRT-Sendung "De Afspraak". Die Preise würden vom freien Markt bestimmt und seien von internationalen Faktoren abhängig. Die Teuerung beträfe auch nicht nur die Energie, sondern auch viele Rohstoffe. Das sei eben auch auf das Wiederhochfahren der Wirtschaft zurückzuführen.
Mehr Energieproduktionskapazitäten
Die Politik habe natürlich die Möglichkeit, solche Probleme strukturell anzugehen. Da müsse man dann etwa über die Abhängigkeit vom Ausland in puncto Energieversorgung sprechen. Der beste Weg, um die zu verringern beziehungsweise zu beenden, ist für die Groen-Politikerin offensichtlich: Belgien müsse dafür sorgen, dass genug Energieproduktionskapazitäten im eigenen Land entstehen, und da arbeite man dran.
Und zwar natürlich aus grünen und erneuerbaren Energiequellen. Das seien die einzigen Energietechnologien, für die heutzutage die Preise günstiger würden. Das sei langfristig die billigste Art und Weise, um den Energiebedarf zu decken, so Van der Straeten.
Außerdem müsse die Energieeffizienz verbessert werden: In Häusern mit einer schlechten Energieeffizienz zum Beispiel werde sehr viel Energie beim Heizen verschwendet. Und die billigste Energie sei immer die, die man gar nicht erst verbrauche.
Verlängerung der Sozialtarife
Kurzfristig will sich die Energieministerin aber vor allem dafür einsetzen, dass die Sozialtarife für Menschen mit niedrigem Einkommen verlängert werden. Die waren ja im Dezember letzten Jahres während der Pandemie ausgeweitet worden, um mehr sozial schwächeren Menschen zu helfen. Damit soll aber eigentlich Ende diesen Jahres wieder Schluss sein.
Angesichts der stark steigenden Preise und weil sich diese Maßnahme als sehr zielgerichtet und effizient erwiesen habe, wolle sie aber alles daran setzen, um bei den anstehenden Haushaltsgesprächen eine Verlängerung durchzusetzen, so Van der Straeten.
Was hingegen für sie nicht infrage komme, das sei eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie. Denn das sei eine Abgabe, die alle Menschen betreffe, auch die, die die Preissteigerungen weniger hart treffen. Deswegen optiere sie für die selektiveren Sozialtarife, damit die Unterstützung auch dort ankomme, wo sie am meisten gebraucht werde, so die die Energieministerin.
Boris Schmidt