"Man muss rudern mit den Riemen, die man hat; aber diese Riemen sind sehr kurz geworden". Ziemlich klare Worte von Generalleutnant Marc Thys, dem stellvertretenden Generalstabchef der Streitkräfte. Seine Botschaft also: "Die Armee tut, was sie kann; mehr ist leider nicht drin".
Und das gelte nicht nur für die Streitkräfte. Bei den Rettungs- und Hilfsdiensten in ihrer Gesamtheit könne man eine regelrechte "Erosion" feststellen. Das sei die Folge von Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen worden seien, sagte Marc Thys in der VRT-Fernsehsendung Terzake. Er verstehe ja, dass man mehr Effizienz erreichen wolle. Im Bereich Hilfeleistung geht es aber nicht immer um Effizienz, um Wirtschaftlichkeit, sondern um Effektivität, also um zielgerichtetes Handeln. Effizienz, das sei ein sehr quantitativer Ansatz. Wichtig sei aber, dass man sein Ziel letztlich erreicht. Hier gehe es schließlich um Menschen, sagt Marc Thys.
Wenn's auch diplomatisch formuliert ist, so ist das doch eine regelrechte Breitseite. Außergewöhnlich deutliche Kritik, zumal wenn man bedenkt, dass Marc Thys der Vizechef einer Organisation ist, die im Französischen "die große Schweigende" genannt wird.
Das hat wohl auch damit zu tun, dass die Streitkräfte in den letzten Wochen viel Kritik einstecken mussten. Nach wie vor fühlen sich viele Menschen in den Katastrophengebieten im Raum Lüttich mit ihren Problemen allein gelassen. Und die Wut und die Verzweiflung entladen sich dann oft an der Armee oder dem Roten Kreuz, also den Einrichtungen, von denen man sich in schweren Zeiten am ehesten Hilfe und Unterstützung erhofft.
Oft ist zu lesen und zu hören, dass das Ganze schon an der Koordinierung scheitert. "Wir helfen dort, wo man uns hinschickt", bestätigt auch der stellvertretende Generalstabschef der Streitkräfte. Die Behörden in der Wallonie und insbesondere in der Provinz Lüttich wirken da nach wie vor überfordert. Auch deswegen hat der Föderalstaat jetzt beschlossen, den örtlichen Krisenstäben eine Unterstützungseinheit zur Seite zu stellen. Das sei bestimmt eine gute Idee, sagt Generalleutnant Marc Thys. "Natürlich muss es darum gehen, die zur Verfügung stehende Hilfe möglichst effizient zu verteilen. Nur ist das letztlich nicht mehr als Symptombekämpfung."
"Symptombekämpfung", das bedeutet also, dass man die Probleme lediglich an der Oberfläche bekämpft, ohne ihnen auf den Grund zu gehen mit dem Ziel, das Übel bei der Wurzel zu packen. Denn: Die Ursachen liegen viel tiefer. Vieles erkläre sich dadurch, dass dieses Land strukturell nicht auf solche Katastrophen vorbereitet ist. Und da wären wir wieder bei der von Thys angesprochenen "Erosion". Die erste Verteidigungslinie im Ernstfall, das seien Feuerwehr und Zivilschutz. Diese Dienste seien aber personell und auch materiell ausgedünnt worden. Da sei auch Material vom einen in den anderen Dienst verschoben worden, um es zu zentralisieren. Man braucht aber, im Gegenteil, Redundanz.
Bedeutet also konkret: Es war kein Zeichen von Ineffizienz, wenn Feuerwehr und Zivilschutz früher manchmal über vergleichbares Material verfügt haben. Im Ernstfall braucht man diese Dopplungen. Und dieses Übel habe auch längst die Streitkräfte erfasst, sagt der stellvertretende Generalstabschef. "Früher hatten wir spezialisierte Einheiten, die Straßen reparieren konnten; heute ist das nur noch bedingt möglich. Früher konnten wir auch Brücken legen; jetzt haben wir keine Brücken mehr."
Viele seiner Vorgänger hätten seit 2012 ja auch immer wieder an der Alarmglocke gezogen. Weil man ja auch wisse, dass sich Unwetterkatastrophen in den nächsten Jahren wegen der Klimakrise häufen werden. Doch sei es leider offensichtlich so, dass wir erst eine handfeste Katastrophe brauchen, um einzusehen, dass wir ein Problem haben.
Roger Pint
Wichtiger als Armee, Rettungsdienste war das Schaffen "schöner Pöstchen". Wie man jetzt sieht, nicht zum Wohl der Bevölkerung sondern auf deren Kosten. In jedem Dorf ein Minister war wichtiger.