Zollleiter Kristian Vanderwaeren ist sichtlich stolz auf den Erfolg seiner Behörde. 150 seiner Beamten hätten bei dieser historischen Operation gemeinsam mit der Polizei an zehn Orten gleichzeitig zugegriffen, um die Zigarettenproduktion stillzulegen und die dort tätigen Arbeiter festzunehmen, so Vanderwaeren in der VRT.
Im ganzen Land haben die Sicherheitsbehörden zugeschlagen, von Bree und Tongeren an der niederländischen bis zu Leuze-en-Hainaut und Frasnes-lez-Anvaing an der französischen Grenze, von Eeklo in Ostflandern über Aartselar bei Antwerpen und Drogenbos bei Brüssel bis Charleroi. Und weil Zigarettenschmuggel natürlich immer auch eine internationale Dimension hat, hat Belgien den Einsatz monatelang mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) und Europol vorbereitet.
Die vorläufige Bilanz: Über 40 Verdächtige sind festgenommen worden, vor allem Osteuropäer. Mindestens mehrere Dutzend Millionen fertig verpackter Zigaretten und Dutzende Tonnen unverarbeiteter Tabak sind beschlagnahmt worden. Plus mindestens vier komplette Fertigungsstraßen mit allen Maschinen, die notwendig sind, um aus Rohtabak fertige Zigarettenpäckchen herzustellen.
Fälschungen
Das Verblüffende: Möglicherweise ist der Rohtabak ganz legal über andere europäische Länder nach Belgien gelangt. Und auch die für die Herstellung der Zigaretten notwendigen Maschinen können legal erworben werden, man findet sie sogar beim chinesischen E-Commerce-Unternehmen Alibaba.
Kriminell wird es allerdings, sobald die Maschinen anfangen, aus dem Rohtabak fertige Filterzigaretten herzustellen. Denn erstens brauche man für die Herstellung von Zigaretten eine Genehmigung, so Zoll-Chef Vanderwaeren in der RTBF. Zweitens würden auf fertige Filterzigaretten Akzisen fällig, die nicht gezahlt worden seien.
Drittens handele es sich um Markenfälschungen, was natürlich ebenfalls illegal sei. Bei der Operation sind Zigaretten verschiedener Marken sichergestellt worden. Beziehungsweise mit den gefälschten Aufdrucken und Verpackungen verschiedener Marken. Denn alle sind aus dem gleichen Tabak hergestellt worden und nur am Ende unterschiedlich etikettiert worden, wie Vanderwaeren hervorhebt.
80 bis 85 Prozent des Preises eines regulären belgischen Päckchens Zigaretten entfallen auf Akzisen und Mehrwertsteuer, erklärt Florence Angelici, Sprecherin des FÖD Finanzen. Und da die bei illegalen Zigaretten nicht gezahlt werden, können die Verbrecher trotz ihrer deutlich günstigeren Verkaufspreise saftige Gewinne einstreichen.
Schädlicher als reguläre Zigaretten
Das Ganze ist aber nicht nur ein fiskales Problem durch entgangene Einkünfte, sondern auch ein mögliches gesundheitliches, wie Vanderwaeren warnt: Der in solchen Zigaretten verwendete Tabak sei von sehr schlechter Qualität und könne sogar Schwermetalle enthalten.
Und auch die Filter entsprechen oft nicht europäischen Sicherheitsnormen. Die logische Folge: Illegale Zigaretten können deutlich schädlicher für die Gesundheit sein als reguläre, also legal hergestellte Zigaretten.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht bekannt, wie lange die jetzt ausgehobenen Produktionslinien in Betrieb gewesen sind. Bekannt ist aber, dass hinter allen das gleiche kriminelle Netzwerk stecken soll. Und die heutige Operation stellt auch nur in ihrer Größenordnung eine Ausnahmeerscheinung dar, wie Florence Angelici vom FÖD Finanzen hervorhebt: 2020 habe man rekordverdächtige 18 Produktionsorte in Belgien gefunden, dieses Jahr sind es bisher 19. In den Jahren davor seien es hingegen drei oder vier gewesen.
Schwarzmarkt
Bestimmt sind die gefälschten Zigaretten traditionell oft für den französischen und den britischen Markt, entsprechende Markierungen sind auch dieses Mal gefunden worden. Belgien liege nun mal nahe an Großbritannien, deswegen werde hier für den dortigen Schwarzmarkt produziert, so Angelici. Die illegalen Zigaretten werden aber auch oft über das Internet in Belgien selbst verkauft, was für Zigaretten hierzulande generell verboten ist.
Und so spektakulär der neue Erfolg auch sein mag, ob er eine nachhaltige Wirkung haben wird, ist wohl eher fraglich. Denn bei den meisten Festgenommenen handelt es sich nur um die ganz kleinen Fische, die die Drecksarbeit für die Paten der Zigarettenmafia machen. Und wie Zoll-Chef Vanderwaeren selbst zugibt, scheinen die illegalen Zigarettenfabriken wie Pilze aus dem Boden zu schießen.
Boris Schmidt