Das wohlwollende Interesse von frankophoner Seite dürfte nicht ganz uneigennützig sein, fehlt es doch nicht an Verweisen, dass es sich um Gemeinden mit Spracherleichterungen handelt, sowohl im gesamten Gebiet deutscher Sprache als auch in der Malmedyer Wallonie.
Somit auch die unterschwellige Botschaft: Seht, so geht es auch, ganz ohne Peters-Rundschreiben oder andere Vorschriften im Rand, den die Brüsseler den ihren nennen und die flämische Politik den flämischen Rand.
Aber: Muss uns das stören? Nein. Zum einen, weil wir uns die entspannte Lage durchaus als Feder an den Hut stecken können, wenngleich, was Gegenseitigkeit angeht, nicht alles so ist, wie man sich das wünscht. Zum anderen, weil die beiden großen Kontrahenten zur Zeit bei der Wahl ihrer Mittel ebenso wirksam wie subtil vorgehen wollen, ohne lautes Getöse.
Einen großen Vorteil hat diese Mischung aus ehrlichem Interesse und unterschwelliger Instrumentalisierung. Dem Eupener Minister-Präsidenten bieten sich vielfältige Foren, Tribünen und Plattformen, von wo er das Eupener Credo propagieren kann: Kein Belgien zu zweit, keins zu dritt, sondern eins zu viert.
Zeitpunkt und Häufigkeit bringen es dabei zwangsläufig mit sich, dass sich bei den frankophonen Lesern, Hörern und Zuschauern die Formel bereits in den Köpfen festsetzt, kommen doch aus Namür keine Protestnoten. Stattdessen auf den Sportseiten nur Empathie für die Schwarzweißen, in der Niederlage, und im Sieg, selbst in Lüttich - in den Farben von "la mannschaft". Dem Ansinnen der Eupener Politik kann dies nur nützen.
Die Menschen zwischen Göhl und Our brauchen sich nicht zu sorgen. Zu einer zärtlichen Erdrückung wird es nicht kommen, dafür sind die Menschen inzwischen selbstbewusst genug. Wichtiger als der Focus auf Pierre Kroll war die Atmosphäre bei der Eröffnung. Sie sprach Bände für Zwanglosigkeit und Selbstbewusstsein.
Natürlich vertritt Kroll, bei aller Liebe und Bewunderung für die DG, im innerbelgischen Konflikt frankophone Positionen, und so richtig bekannt ist er nur im Süden des Landes, die flämischen Leser sehen die Deutung von Politik und Gesellschaft durch die Brillen so bissiger, hintersinniger oder zynischer Zeichner wie Zak, Zaza, Quirit oder Klier. Aber auch die wären willkommen.
Sie thematisierten übrigens in diesen Tagen den 11. November, den Waffenstillstandstag, im Zusammenhang mit dem Gasleck von Rotselaar. Zaza lässt im "Standaard" den verschreckten Greis ausrufen: "Der Deutsche". Klier zeichnet seine Figur ängstlich vor dem Fernseher mit Gasmaske.
Noch immer ist besonders in Flandern der erste Weltkrieg Objekt kollektiver Erinnerung. De grote oorlog, der große Krieg, das hieß: Ypern zerstört, Löwen zerstört, Geiselerschießungen. 14-18 als Schlüsselmoment belgischer Geschichte kann nicht genug betont werden. Auch Schlüsselmoment flämischer Forderungen, und diese gleichzeitig belastet durch die erklärte Flamenpolitik Berlins.
Überhaupt - Berlin: vor dem Überfall von Belgien bewundert für deutsche Kultur und Wissenschaft, und in Brüssel umworbener Gegenpol zu den Annexionsgelüsten Frankreichs, nach dem Überfall Sinnbild für Wortbruch und militärische Übergriffe und Morde - nicht nur in Dinant, sondern auch im Herver Grenzland zu den preußischen Kreisen Eupen und Malmedy. Das altfranzösische Wort caboche für Dickschädel verlor seine Vorsilbe und wurde zum Schmähwort.
Es war der psychologisch schlechteste Moment für den Nationalitäts- und Staatswechsel. 90 Jahre nach Versailles ist aus dem berüchtigten Schmähwort ein Exotenstatus mit Vorbildcharakter geworden. Schon deshalb sollte der neue Status, auch wenn "Le Soir" über stereotype Sätze nicht hinauskam, nicht zu blasiertem Lächeln führen.