"Das dicke Ende kommt bestimmt", diesen Satz hat man im Zusammenhang mit der Corona-Krise schon häufig gehört. Natürlich ging es in einer ersten Phase darum, die rein sanitäre Notlage einzudämmen. Doch weiß jeder, dass der Tag kommen wird, an dem die Rechnung auf den Tisch flattert.
Dieser Tag rückt näher. Die Corona-Zahlen scheinen unter Kontrolle zu sein. Wenn der Eindruck auch trügerisch sein mag: Die Rückkehr zu einem halbwegs normalen Leben scheint in Reichweite zu kommen. Zeit also für eine Bestandsaufnahme: Wie steht es um die Wirtschaft? Und wie sieht es mit den Finanzen aus?
Diesen Prozess hat die Föderalregierung jetzt eingeleitet. Am Montagabend hat das sogenannte Kernkabinett zum ersten Mal über diese wirtschaftliche Lage beraten. Mit am Tisch saß auch Nationalbankchef Pierre Wunsch. Doch hatte der eigentlich größtenteils fast schon überraschend positive Neuigkeiten mitgebracht: Alle Wirtschaftsparameter hätten sich sichtbar verbessert, sagte Wunsch in der RTBF. Das gelte sowohl für die verschiedenen Vertrauensindikatoren, als auch für die wirklich messbare ökonomische Aktivität.
Im ersten Quartal belief sich das Wachstum auf ein Prozent, das ist fast doppelt so viel wie ursprünglich prognostiziert. Und das wird sogar mehr als bestätigt durch neue Zahlen, die die Wirtschaftszeitungen L'Echo und De Tijd am Dienstag veröffentlicht haben. Demnach sind die Steuereinnahmen in den ersten vier Monaten des Jahres spektakulär höher ausgefallen als im vergangenen Jahr: 41 Milliarden Euro, ein Plus von 45 Prozent.
Das ist eigentlich nicht wirklich überraschend, schließlich hatte ja im März und April des vergangenen Jahres das Leben doch größtenteils heruntergefahren werden müssen. Bemerkenswert ist aber, dass das Steueraufkommen in den ersten vier Monaten dieses Jahres sogar höher liegt als im Vergleichszeitraum 2019. Und da war von der Pandemie freilich noch keine Rede. Die einzig mögliche Erklärung für diese außergewöhnlich hohen Steuereinnahmen, das sei eine doch deutliche und vor allem nachhaltige wirtschaftliche Erholung, schreibt De Tijd.
Das kann man auch an den verschiedenen Vertrauensindikatoren sehen, die in regelmäßigen Abständen erhoben werden. Das Verbraucher- und auch das Unternehmervertrauen seien außerordentlich hoch, bestätigte die föderale Haushaltsstaatssekretärin Eva De Bleeker am Dienstagmorgen in der RTBF. Nicht alle, aber viele Menschen hätten wegen der Krise Rücklagen angehäuft. Und man könne davon ausgehen, dass sie das Geld auch ausgeben werden, sobald die Lage es erlaube.
Die Wirtschaft könnte also schneller wieder in Gang kommen als befürchtet. Und auch der ökonomische Flurschaden könnte sich am Ende noch in Grenzen halten. Laut De Tijd jedenfalls wird die Pleitewelle nach der Krise wohl nicht so gewaltig ausfallen wie einige Schreckensszenarien es prognostiziert hatten.
Alles eitel Sonnenschein also? Das nun auch wieder nicht. In einer ersten Phase wird es wichtig sein, die verschiedenen Überbrückungshilfen wohl dosiert zurückzufahren. Nicht zu schnell, um die Unternehmen nicht unnötig in Probleme zu bringen, aber auch nicht zu langsam - aus ökonomischen, aber vor allem auch aus haushaltspolitischen Gründen.
"Wir haben viel Geld in die Hand genommen, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen", sagte Staatssekretärin Eva De Bleeker. Jetzt müsse man aber darauf achten, nicht zu viel auszugeben, und dafür sorgen, dass die Wirtschaft aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommt. Denn, wie schon gesagt, das dicke Ende kommt bestimmt. Wenn sich der rein wirtschaftliche Schaden am Ende vielleicht noch in Grenzen halten könnte, so ist das Loch in der Staatskasse längst eine Tatsache.
2020 belief sich das Haushaltsdefizit auf über 40 Milliarden Euro. Klar, der Großteil des Geldes wurde für die reine Krisenbekämpfung aufgewendet, und darüber wird auch nicht ernsthaft diskutiert. Doch wird man in diesem Jahr zumindest dafür sorgen müssen, dass der Haushaltszug wieder auf "gesunde Gleise" kommt.
Erste Überlegungsansätze gebe es da schon, sagte Staatssekretärin De Bleeker. Es wird wohl, wie so oft, am Ende auf einen Mix aus Sparmaßnahmen und neuen Steuern hinauslaufen. Aber, so betont De Bleeker: Hätten wir das Geld im vergangenen Jahr nicht ausgegeben, um die Wirtschaft und auch den Pflegesektor zu unterstützen, dann wären die Folgen wesentlich schlimmer gewesen.
Roger Pint