Jürgen Mettepenningen hat sich quasi unsterblich gemacht. Nicht nur, weil er nach nur drei Monaten von seinem Amt als Sprecher von Erzbischof André-Joseph Léonard zurückgetreten ist, sondern wegen der Art und Weise, wie er das getan hat. Man kann zu Léonard und seinen mitunter schockierenden Aussagen stehen, wie man will.
Dass Mettepenningen da nach seinem Rücktritt derartig nachtreten musste, hat selbst bekennende Léonard-Kritiker fast schon umgehauen.
Den Mann, der noch vor fünf Minuten sein Chef war, als Geisterfahrer zu betiteln, ihm Führungsschwäche zu bescheinigen, Léonard als unverbesserlichen Provokateur hinzustellen, das ist fast schon ein Vatermord, das ist jedenfalls ein Akt, der von einer derartigen Illoyalität geprägt ist, dass man "fast schon" Lust hat, Monseigneur Léonard in Schutz zu nehmen.
"Fast schon", denn wenn die Brandrede von Jürgen Mettepenningen auch zutiefst unehrenhaft und unprofessionell war: Besser konnte man es eigentlich gar nicht formulieren.
Denn: Ja, Léonard ist ein Geisterfahrer, der darauf beharrt, dass alle anderen auf der falschen Spur sind. Ja, der Erzbischof lebt auf einem anderen Planeten, versteht – wie er selbst sagt - die ganze Aufregung nicht, hält den Sturm, der derzeit über ihn und die Belgische Katholische Kirche hinwegfegt, für ein laues Lüftchen. Ja, Léonard hinterlässt eine Schneise der Verwüstung, wenn er – immer wieder aufs Neue - weltfremde, fast unerträgliche Aussagen über AIDS oder Homosexualität macht, wenn er gar mehr oder weniger unverhohlen fordert, Priester, die sich des Missbrauchs von Minderjährigen schuldig gemacht haben, doch bitte in Frieden zu lassen, wenn sie im Ruhestand sind.
Nun könnte ja noch derjenige, der sich längst von der Kirche abgewendet hat, zu bedenken geben, dass das eigentlich ein Problem ist, dass sich auf den immer kleiner werdenden Kreis der praktizierenden Katholiken beschränkt. Allein: Das ist ein Trugschluss.
Die Kirche ist, um es einmal salopp zu sagen, kein Schützenverein. Wenn dessen Präsident sich die eine oder andere verbale Entgleisung leistet, dann ist das tatsächlich in erster Linie ein vereinsinternes Problem. Die Katholische Kirche hingegen ist immer noch – wenn vielleicht auch nicht mehr der Machtfaktor wie etwa noch in den 50er/60er Jahren - eine gesellschaftliche Instanz, deren Strahlkraft in jedem Fall – um im Bild zu bleiben - den Kreis der reinen Vereinsmitglieder übersteigt. Im Klartext: Aussagen eines Kirchenoberen haben gesamtgesellschaftliche Relevanz. Und man darf vom Primas der Belgischen Katholischen Kirche erwarten, dass er dieser Verantwortung gerecht wird.
Das heißt ja nicht, dass Léonard deswegen allen und jedem gefallen muss. Katholiken konnten etwa seinem Vorgänger, Kardinal Godfried Danneels durchaus vorwerfen, durch das ständige Weichspülen der vatikanischen Botschaft im Grunde ein allzu diffuses Bild der Kirche und ihrer Lehren in die Gesellschaft projiziert zu haben.
André-Joseph Léonard sei zumindest konsequent, so sagen seine Unterstützer. Und solange er sich auch wirklich darauf beschränkt, die Meinungen des Papstes wider zu geben, mag man das ja noch im Raum stehen lassen.
Doch alles hat Grenzen! Léonard war nämlich zuweilen buchstäblich katholischer als der Papst. Während selbst Rom eingesehen hat, dass die Missbrauchsfälle in der Kirche aufgeklärt und bestraft werden müssen, betrachtet der Erzbischof von Mechelen-Brüssel die Strafverfolgung von Priestern im Ruhestand als einen bloßen Akt der Rache. Da ist er also wieder, der unverschämte, man möchte sagen verfassungsfeindliche Versuch, die Kirche über das Gesetz der Menschen zu stellen. Und wenn er noch so oft erklärt, man habe ihn da falsch verstanden: "Dann sollte er – der erfahrene Medienprofi - sich klarer ausdrücken!" möchte man ihm antworten.
Ein Mann mit den unbestrittenen geistigen Fähigkeiten eines André-Joseph Léonard, der zudem seit seinen Namürer Tagen unter argwöhnischer Beobachtung durch Medien und Öffentlichkeit steht, weiß haargenau, was er mit seinen Aussagen los tritt. Deswegen hatte nicht nur Jürgen Mettepenningen den Eindruck, sein Chef tue alles, um im Rampenlicht zu stehen; wirklich alles. Gemäß einer Kommunikationsweisheit: "no news is bad news", sinngemäß: Hauptsache, man redet über mich. Und Jürgen Mettepenningen hatte die zugegebenermaßen undankbare Aufgabe, mit dem Schäufelchen hinter Léonard herzulaufen, um die Scherben aufzukehren.
So nachvollziehbar sein Frust, so sehr hat sich Mettepenningen jedoch verrechnet. Indem er sich selbst aus der Schusslinie ziehen wollte, hat er seine ganze Organisation in Misskredit gebracht. Nie wurden kircheninterne Meinungsverschiedenheiten derart breit getreten, jetzt ist die existentielle Krise, in der die Katholische Kirche Belgiens steckt, wirklich für jeden offensichtlich. Und: Er hat der Öffentlichkeit sozusagen aus erster Hand den längst vorherrschenden Eindruck über das Charakterprofil des Erzbischofs bestätigt: Léonard ist ein eiskalter Zyniker in Sutane.
Léonard: Der falsche Mann auf dem falschen Stuhl? Na ja, die Katholische Kirche war nie der Innbegriff einer basisdemokratisch organisierten Institution. Anders gesagt: Über Léonards Zukunft lohnt es sich nicht zu spekulieren - darüber entscheiden... andere.
Bilder: Belga Archiv
Ich habe bestimmt Respekt für den Erzbischof Léonard. Nur meine Frage, war denn mehr von einem Urkonservativen zu erwarten. Er steht der Priesterbruderschaft Pius X sehr nahe. Dieser Mann lebt heute noch in einer Zeit die unsere Grosseltern noch gekannt haben. Damals galt doch das Sprichwort,der Dorflehrer hielt die Kinder Dumm und der Pastor hielt die Leute brav. Ich will nur hoffen dass die Kirche aus diesem Schlamasel wieder heraus kommt und dann auch wieder glaubwürdig wird.
Also, auch als überzeugter Katholik habe ich absolut kein Verständnis für die Äusserungen von unserem Erzbischof Leonard. Mit seinen Stellungnahmen vergrößert er den Graben zwischen Kirche und den Gläubigen. Und das ist in diesen Krisenzeiten alles andere als gut. Von einem Rücktritt des Erzbischofs können wir nur träumen, da der Papst an ihm festhält. Aber der Vatikan will ja ohnehin nichts ändern. Also können wir nur an Gott glauben und den Erzbischof am ehesten ignorieren.