Spektakulär, beispiellos, historisch. Die Zeitungen überbieten sich fast mit Superlativen. Und, in der Tat: Die Bilder aus dem Nationalpark Hoge Kempen sind wie aus einer anderen Welt. Fast 500 schwer bewaffnete Polizisten und Elitesoldaten sind im Einsatz, ganze Kolonnen von Polizei- und Militärfahrzeugen, Drohnen, Hubschrauber, das volle Programm...Donnerstagnachmittag hatte man mit einem sogenannten "Sweeping" begonnen: Ein eingegrenztes Areal in dem Naturschutzgebiet wurde quasi Zentimeter für Zentimeter durchkämmt. In dieser Zone mit einem Umfang von 20 Kilometern wurde Jurgen Conings am ehesten vermutet.
Dieses "Sweeping" allerdings habe aber leider nicht das erhoffte Ergebnis gebracht, sagte noch in der Nacht Wenke Roggen, Sprecherin der Föderalen Staatsanwaltschaft, in der VRT. Die Suche nach dem Verdächtigen werde fortgesetzt. Aus ermittlungstaktischen Gründen wolle sie dazu aber nicht mehr sagen. Bestätigung dann am Morgen auch von Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder: "Ja, in der Tat: Jurgen Conings ist weiter flüchtig. Und wir setzen alles daran, den Mann zu finden und ihn unschädlich zu machen.
Die Einsatzkräfte haben die Suche heute fortgesetzt, wollen offenbar jetzt ihre Taktik ändern. Nähere Einzelheiten wurden aber nicht bekanntgegeben. Die allgemeine Terrorwarnstufe bleibt bis auf weiteres bei Niveau 2. Das hat der Anti-Terror-Stab OCAM entschieden. Für Jurgen Conings selbst gilt demnach Stufe 4, also die höchste Stufe. Das entspricht einer ernsten und unmittelbar zu erwartenden Bedrohung. Nur bleibt der Mann eben weiter wie vom Erdboden verschluckt...
Dass es überhaupt soweit kommen konnte, das sorgt derweil weiter für hitzige Diskussionen. Denn: Die verschiedenen Geheimdienste hatten Jurgen Conings längst auf dem Schirm. Seit dem vergangenen Jahr steht er auf der Gefährder-Liste des OCAM, wurde dort als "potenziell gewaltbereiter Extremist" geführt. Und auch der Militärgeheimdienst SGRS hatte den 46-jährigen Berufssoldaten längst im Auge.
Es waren sogar schon Disziplinarmaßnahmen gegen Jurgen Conings verhängt worden, wegen seiner rechtsextremen Gesinnung und auch Todesdrohungen, die er unter anderem gegen den Virologen Marc Van Ranst ausgesprochen hatte. Deswegen hatte man ihm auch gewisse Berechtigungen entzogen, und war er sogar nach Leopoldsburg strafversetzt worden. Das aber ausgerechnet in eine Abteilung, die für die Verwaltung der Waffen- und Munitionsbestände zuständig ist. Conings, der als Gefährder eingestuft war, bekam also buchstäblich die Schlüssel zur Waffenkammer überreicht...
"Natürlich ist das nicht normal", sagte Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder in der RTBF. Natürlich ist es auch nicht normal, dass eben eine solche Person dann auch noch mit Waffen unter dem Arm aus der Kaserne spazieren kann. Dabei gibt es doch eigentlich Regeln und Prozeduren, die so etwas verhindern sollten.
Eben diese Regeln scheinen irgendwie nicht funktioniert zu haben. Und deswegen habe sie die Armeeführung angewiesen, diese Prozeduren unter die Lupe zu nehmen, die also den Zugang zu gewissen sensiblen Abteilungen regeln. Und das unverzüglich. Parallel dazu hat die Ministerin natürlich auch eine eingehende Untersuchung des Vorfalls angeordnet.
Darüber hinaus will sie aber auch dafür sorgen, dass Personen mit zweifelhafter Einstellung künftig nicht mehr in der Armee aktiv sein können. Sie wolle dafür sorgen, dass alle Soldaten künftig regelmäßig gescreent, also auf ihre Gesinnung abgeklopft werden, sagte Dedonder. Vor allem diejenigen, die Zugang zu sensiblen Bereichen haben oder im Dienst Waffen tragen.
Man weiß unterdessen, dass der Militärgeheimdienst SGRS auch 28 weitere Soldaten wegen rechtsextremer Umtriebe auf dem Zettel hat. Sie habe angeordnet, dass man auch diese Prozedur noch einmal optimiert. Aber, davon abgesehen: Der einzige Soldat, der wirklich auf der Gefährder-Liste des OCAM stand, das war Jurgen Conings.
Doch sind die Pannen nicht so ungeheuerlich, dass sogar der Stuhl der Ministerin wackeln könnte. "Nein!", ist Ludivine Dedonder überzeugt. Selbst im Parlament sei das kein Thema gewesen. Jetzt gehe es erst mal darum, den Flüchtigen zu finden. Daneben muss ermittelt werden, was genau passiert ist. Und entsprechend müssen dann die Maßnahmen ergriffen werden, die sich aufzwingen.
Roger Pint
„…und war er sogar nach Leopoldsburg strafversetzt worden.“ Soweit ich informiert bin, hat der Soldat Jurgen Conings sich auf eine Stelle in Leopoldsburg beworben und, da mehr als qualifiziert für diesen Posten, nach der Annahme seiner Bewerbung um die Versetzung dorthin gebeten. Nichts da mit Strafversetzung. Scheinbar wurde eine Strafverfolgung von der Staatsanwalt eingestellt und die einzige Disziplinarmaßnahme seitens der Armee war ein „einfacher Arrest“.