Szenen wie aus einem Kriegsgebiet. Schier unzählige Polizei und Armeefahrzeuge. Schwer bewaffnete und vermummte Einsatzkräfte, die in und um den Nationalpark "Hoge Kempen" Stellung bezogen haben. Sogar Panzerwagen sind zu sehen. 250 Polizisten und knapp 100 Soldaten sind vor Ort. Das Rote Kreuz hat ein kleines Feldlazarett eingerichtet. Über alledem knattert ein Helikopter. Das Ganze wegen eines Mannes. Sie alle suchen Jürgen Conings, einen Berufssoldaten, der in dem Nationalpark vermutet wird. Seit Montagabend gilt er als "vermisst". An diesem Abend war er nicht nach Hause gekommen.
Seine Freundin Gwendy machte sich Sorgen und verständigte die Polizei. Am Dienstagmorgen wurde er aber noch gesehen: In seiner Kaserne im Limburgischen Leopoldsburg. Dort ließ er, wie sich später herausstellte, ein regelrechtes Kriegsarsenal mitgehen: Waffen und große Mengen Munition. Als das auffiel, war er längst über alle Berge. Noch am Dienstagabend war aber schon sein Auto entdeckt worden.
Der SUV stand abgestellt am Rande des Nationalparks Hoge Kempen. Das Fahrzeug hatte keine Nummernschilder mehr. Deswegen schlug der Jäger, der den Wagen entdeckt hatte, Alarm. Zum Glück hatte der sich nicht an dem Auto zu schaffen gemacht. Wie sich herausstellte, war der Wagen nämlich präpariert: Die Türen waren mit einer Sprengfalle versehen. Als die einmal entschärft war, fanden die Ermittler zumindest einen Teil des Waffenarsenals, das Jürgen Conings hatte mitgehen lassen: Vier Raketenwerfer wurden sichergestellt, genauer gesagt Panzerabwehrhandwaffen, wie es im Fachjargon heißt.
Man gehe aber davon aus, dass der Verdächtige immer noch bewaffnet ist, sagte Eric Van Duyse, Sprecher der Föderalen Staatsanwaltschaft. Denn zwei Waffen fehlten: Eine FN-Handfeuerwaffe und eine P-90-Maschinenpistole, die sogar kugelsichere Westen durchschlagen kann. Mit anscheinend 2.000 Schuss Munition. "Genug für einen kleinen Krieg", schreiben einige Zeitungen. Schon die Raketenwerfer lassen auf eine extreme Entschlossenheit schließen.
Ein Grund mehr für die Sicherheitsbehörden, extrem nervös zu sein. Jurgen Conings ist nämlich alles andere als ein Waisenkind. Seit 1992 ist er Berufssoldat. Er hat diverse Auslandseinsätze absolviert, war unter anderem in Ex-Jugoslawien, im Libanon, in Afghanistan und im Irak. Medienberichten zufolge soll er auch als Scharfschütze gearbeitet haben. Kurz und knapp: Eine Kampfmaschine, ausgebildet, um zu überleben.
Nur hat sich dieser Elitesoldat in der Zwischenzeit eben von den demokratischen Grundwerten verabschiedet. Jurgen Conings war offen rechtsextrem, hatte auch Verbindungen zu verurteilten Rechtsradikalen und extremistischen Organisationen. In Sozialen Netzwerken hatte er mehrmals Drohungen ausgesprochen, insbesondere gegen Virologen.
Die Corona-Einschränkungen scheinen jedenfalls in dem 46-Jährigen etwas ausgelöst zu haben. In einem der drei Abschiedsbriefe, die man gefunden hat, kündigt er einen "Anschlag auf das Regime" an, auf die "Politiker und Virologen, die seine Freiheit einschränkten". Weil er mehrmals den Virologen Marc Van Ranst ausdrücklich bedroht hatte, wurde der mit seiner Familie in eine sichere Wohnung gebracht.
Gwendy, die Freundin von Conings, versteht ihrerseits die Welt nicht mehr. Nachdem sie ihren Partner als vermisst gemeldet hatte, wurde sie am nächsten Morgen von der Polizei befragt. Sie habe aber schnell festgestellt, dass es da um mehr ging, sagt sie in einigen Zeitungen. Und seither erlebe sie einen regelrechten Albtraum. Der Mann, der da beschrieben werde, dass sei nicht "ihr" Jurgen. Hinter der etwas rauen Schale ihres Freundes verberge sich eigentlich ein "Knuffelbär mit einem Pfefferkuchen-Herz".
Das ist tatsächlich das krasse Gegenteil von dem Bild, das die Sicherheitsdienste von Jurgen Conings haben. Sie stufen ihn als extrem gefährlich ein. Nicht umsonst stand er ja auf der Gefährder-Liste, die ja im Wesentlichen potenzielle Terroristen umfasst.
Wobei, apropos: Wie kann es sein, dass ein Mann mit einem solchen Profil noch bei den Streitkräften arbeitet? Und, schlimmer noch: Dass der auch noch Zugang zu Waffen hatte. Das ist natürlich die Frage aller Fragen. Nach Medienberichten ist es so, dass tatsächlich gegen Conings eine Disziplinarmaßnahme verhängt wurde - wegen seines Verhaltens und seiner Gesinnung. Er war also auf dem Radar des Militärgeheimdienstes.
Im vergangenen Jahr hatte er also seinen Job bei der Militärpolizei aufgeben müssen und war nach Leopoldsburg versetzt worden. Dort allerdings wurde er ausgerechnet in der Abteilung eingesetzt, die für die Verwaltung der Munition und des Waffenarsenals zuständig ist. Das nennt man wohl eine monumentale Panne. Die Armeespitze wird Einiges zu erklären und aufzuarbeiten haben.
Bevölkerung in Maasmechelen beunruhigt wegen gesuchtem Soldaten
Roger Pint
Es würde mich nicht wundern, wenn es innerhalb der Armee rechtsextreme Netzwerke gibt, die dann auch schützend ihre Hand über so manchen Verdächtigen halten. Gerade Berufsarmeen sind anfällig für sowas. Da besteht die Gefahr, dass sich ein Staat im Staat bildet, mit eigenen Regeln Moralvorstellungen, Mentalitäten etc. Die Rechswehr der Weimarer Republik ist so ein Beispiel.
Eine Wehrpflichtsarmee, wo alle sozialen Schichten und alle möglichen Charaktere ihren Pflichtdienst absolvieren, ist viel offener, weil sie in ständiger Verbindung zur Zivilgesellschaft steht.