Es kommt nicht so oft vor, dass die amerikanische New York Times oder die britische BBC sich für ein kleines belgisches Dorf interessieren. Die internationalen Medien berichten über eine skurrile Geschichte, die über Nacht die französische und belgische Grenze neu definiert hat. Tatort: Erquelinnes in der Provinz Hennegau, ein 10.000 Einwohner-Dorf südlich von Mons. Die Zeitung Het Nieuwsblad hat die Ereignisse rekonstruiert.
Der Franzose Jean-Pierre Chopin und seine Truppe wandern seit Jahren entlang der französisch-belgischen Landesgrenze. Im April dieses Jahres befinden sie sich im Bois de Féfut, mitten auf der Grenze. Auf der einen Seite das französische Boussignies-sur-Roc. Auf der anderen Seite das belgische Montignies-Saint-Christophe. Chopin gleicht systematisch die Position der Grenzsteine mit seinen Karten ab. „Ich habe es sofort gesehen“, sagte der Franzose. Der Stein wurde bewegt. Und damit auch die Grenze. Und das ohne Erlaubnis.
„Das ist eine ernste Sache“, fügte Chopin hinzu. Die Grenzsteine wurden 1819 angelegt, und markieren seitdem die Grenze. Eigentlich sollte sich an deren Verlauf so schnell nichts mehr ändern. Doch niemand hatte mit dem eigenwilligen Plan eines Landwirts gerechnet.
Es ist so: Als man den Besitzer des Grundstücks kontaktierte, wies der jede Schuld von sich ab. Er ist also anscheinend nicht verantwortlich für diese Grenzverschiebung. Damit fiel der Verdacht auf seinen Nachbarn. Der soll der Schuldige sein. Der Landwirt wollte aus praktischen Gründen sein Grundstück erweitern. Der Stein störte wohl beim Traktor fahren. Er hat ihn kurzerhand umgestellt. Nicht nur sein Grundstück ist somit größer geworden, sondern gleich das ganze Land. So schnell kann das mit der Grenzerweiterung also gehen.
In einem TV-Interview scherzte der Bürgermeister von Erquelinnes: "Er hat Belgien größer und Frankreich kleiner gemacht, das ist keine gute Idee". Belgien wird damit nicht nur ein bisschen größer, sondern gewinnt gleich ein paar Ar. Denn der nächste Grenzstein befindet sich erst 200 Meter weiter.
Das wiederum finden die Franzosen nicht so lustig. Sogar das französische Außenministerium hat sich eingeschaltet. Für solche Fälle gibt es eigentlich schon eine fast vergessene Kommission: die französisch-belgische Grenzkommission. Seit Jahrzehnten ist sie nicht mehr zusammengetreten. Ein Treffen und ein Besuch vor Ort werden mit Vertretern aus beiden Ländern geplant, um den genauen Ort zu bestimmen, an den die Grenzmarkierung zurückgesetzt werden soll. Das wäre dann also das Ende des jüngsten Grenzstreits zwischen Belgien und Frankreich.
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