In dieser eher nachrichtenarmen Zeit zieht der Konzertierungsausschuss natürlich alle Blicke auf sich. Wobei eigentlich schon klar ist, dass die Spielräume sehr klein sind. Da sind sich Beobachter einig. Denn, es reicht ein Blick auf die Corona-Zahlen, insbesondere auf den Belegungsgrad der Krankenhäuser und vor allem den der Intensivstationen, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Lage nach wie vor sehr prekär ist...
"Ist der Fahrplan, der derzeit im Raum steht, noch zu halten?", wurde der für den Mittelstand zuständige Föderalminister David Clarinval am Dienstagmorgen in der RTBF gefragt. Er würde jetzt lieber keine Stichdaten nennen, erwiderte der MR-Politiker. Premierminister Alexander De Croo habe seine Kollegen darum gebeten, sich hier in Zurückhaltung zu üben und nicht unnötig Öl ins Feuer zu gießen, um die Debatte nicht zu vergiften.
Alle Augen auf Konzertierungsausschuss gerichtet
Ob Clarinval sich angesprochen gefühlt hat? Man weiß es nicht. In der Vergangenheit hatte er häufig zu denen gehört, die am lautesten für Lockerungen eingetreten waren. Und auch diesmal konnte er es am Ende dann doch nicht lassen. Also, als die erneute Schließung der Frisörsalons und auch der nicht-unentbehrlichen Geschäfte beschlossen wurde, da habe man gesagt, dass die Maßnahme lediglich für vier Wochen gelten würde.
Nun, diese Frist, die läuft am 26. April aus. Und das scheine ihm dann doch ein plausibler Termin zu sein. Doch scheint sich Clarinval genau in diesem Moment auf die Zunge gebissen zu haben; denn er fügt hinzu, dass er eigentlich gar kein Datum nennen wollte...
Acht Sitzungen beim Psychologen komplett erstattet
Es sei doch so: Tagtäglich werde er mit der Notlage der Selbständigen konfrontiert. Die Krise habe auch und vor allem bei den Selbstständigen tiefe Spuren hinterlassen, erklärte Clarinval. Einige von ihnen haben seit einem Jahr nicht mehr gearbeitet. Im Horeca-Sektor dauert die Zwangspause ja auch schon ein halbes Jahr. "Da will man diesen Leuten eigentlich so schnell wie möglich eine Perspektive geben."
Nicht nur Perspektiven will Clarinval geben, sondern auch ganz konkrete Hilfestellung. Zusammen mit dem föderalen Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke habe man beschlossen, den Selbstständigen psychologischen Beistand anzubieten, sagte Clarinval. Viele von ihnen litten wegen der anhaltenden Krise inzwischen unter mentalen Problemen. Deswegen könnten die Betroffenen jetzt kostenlos bis zu acht Sitzungen bei einem Psychotherapeuten in Anspruch nehmen.
Eine einjährige Testphase hat begonnen. Der Kontakt zum Psychologen wird über die kostenlose Telefonnummer 0800/300.25 hergestellt. Dort können sich auch Vertrauenspersonen von betroffenen Selbstständige melden. Koordiniert wird das Projekt von der VoE "Un pass dans l'impasse."
Finanzielle Überbrückungshilfen
Und auch finanziell lasse man die Selbständigen nicht im Stich. Es gebe ja die bekannten Überbrückungshilfen. Und man habe nicht vor, die quasi zeitgleich mit den doch irgendwann mal anstehenden Öffnungen gleich auslaufen zu lassen, verspricht Clarinval. Man arbeite an einem Plan, der die Fortzahlung gewisser Hilfen möglich machen soll.
Das könne sehr individuell entschieden werden, je nach Lage des betreffenden Unternehmens. Aber, Stichwort "individueller Zuschnitt". Drei Gesundheitsexperten hatten am Dienstag in einem Offenen Brief für eine neue Herangehensweise plädiert. Konkret sollte man sich von allzu pauschalen Maßnahmen verabschieden, die ja immer gleich ganze Sektoren betreffen.
Label "Covid-sicher" für Gebäude oder Unternehmen im Gespräch
Stattdessen sollte man der konkreten Situation eines Gebäudes oder eines Unternehmens Rechnung tragen und individuell bewerten, wie hoch das Ansteckungsrisiko ist. Ist es gering, dann bekäme man das Label "Covid-sicher" und dann könnte man eben doch offenbleiben.
Dieser Vorschlag ist offensichtlich schon bis zur Regierungsspitze durchgedrungen. "Wir haben darüber gesprochen", verriet David Clarinval in der RTBF. Und jeder spüre auch, dass das langfristig mit Sicherheit eine interessante Option ist. "Nur müssen wir leider im Moment noch die brennenden Probleme lösen", sagte Clarinval.
belga/rtbf/est