Pieter Timmermans, der Präsident des belgischen Unternehmerverbands FEB, hielt mit seiner Meinung über den Aktionstag der Gewerkschaften nicht hinter dem Berg: In keinem Land außer Belgien käme man wohl auf die Idee, mitten in einer solchen Gesundheitskrise zu streiken, wiederholte er Montag gleich mehrmals. Und nirgends sonst würde man gegen eine effektive Lohnsteigerung von 3,2 Prozent protestieren, wenn die Wirtschaft gerade um 6,5 Prozent geschrumpft sei. Aber ein anderer Satz ließ ebenfalls aufhorchen: Es liege doch ein Lösungsvorschlag der Regierung auf dem Tisch, so Timmermans.
Dass es vonseiten der Föderalregierung durchaus Initiativen gibt, um die Blockade zwischen Arbeitnehmern und Gewerkschaften zu durchbrechen, hatte auch der Premierminister selbst am Abend in der RTBF gesagt. PS-Arbeitsminister Pierre-Yves Dermagne und er hätten den Sozialpartnern in den vergangenen Wochen entsprechende Lösungsstrategien vorgeschlagen, so Alexander De Croo (Open VLD).
Lösungsvorschläge
Den Betrieben Flexibilität zu geben, denen es während der Krise gut ergangen sei, das sei nur logisch, so De Croo weiter. Er sei immer dafür gewesen, dass solche Betriebe ihren Arbeitern mehr zahlen und stärkere Lohnerhöhungen zugestehen können müssten. Denn wenn diese Firmen mehr verdient hätten, dann sei das auch ihren Angestellten zu verdanken.
Arbeitsminister Dermagne selbst hat sich ebenfalls geäußert. Als Regierung werde man alles tun, um eine Lösung zwischen den Sozialpartnern zu finden, erklärte er in der VRT. Eine einmalige Prämie für Arbeitnehmer in Betrieben, die die Krise gut gemeistert hätten, sei eine Möglichkeit, so Dermagne.
Das respektiere das Lohnnormgesetz von 1996 und schütze die Wettbewerbsfähigkeit, so FEB-Vorsitzender Timmermans. Und außerdem liege für die Betriebe eben eine Lösung auf dem Tisch, denen es besser ergangen sei.
Teufel steckt im Detail
Nimmt man all das zusammen, dann kann man sich schon die Frage stellen, ob das nicht genau das ist, was die Gewerkschaften eigentlich wollen: mehr Geld und mehr Flexibilität bei bestimmten Betrieben. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Diese Lösung könnte nämlich zwar rein geldtechnisch vielleicht das bringen, was die Arbeitnehmervertreter wollen. Aber eben nicht politisch. Denn hier haben sie eine deutliche Ansage an die Regierung: Das unlautere Gesetz müsse angepasst werden, fordert der Vorsitzende der Christlichen Gewerkschaft, Marc Leemans. Und bezieht sich dabei auf Änderungen am Lohnnormgesetz durch die Regierung Michel 2017.
Wenn Minister Dermagne mit Möglichkeiten komme, um dieses schlechte Gesetz der damaligen Schwedischen Koalition zu korrigieren, dann würden sich die Gewerkschaften sicher interessiert damit auseinandersetzen, so Leemans.
Und da beißt sich die Katze dann irgendwie in den Schwanz. Denn die Partner in der Vivaldi-Koalition waren bei der Regierungsbildung eigentlich übereingekommen, dieses hochsensible Dossier "Lohnnormgesetz" an sich nicht anzupacken und stattdessen über eigene Dekrete Teile des Inhalts des Gesetzes zu umschiffen, beziehungsweise zu lockern.
Genau das hat der Vorschlag der Föderalregierung an die Sozialpartner getan. Nur reicht den Gewerkschaften diese Heftpflaster-Lösung nicht, wie Leemans unterstrich. Man wolle strukturelle Veränderungen des Gesetzes. Es erzwinge fundamental falsche und unlautere Vergleiche bei der Berechnung der Lohnmargen, so der Gewerkschaftsvorsitzende. Eine echte Zwickmühle also.
Boris Schmidt