Streikaktionen unter anderem bei Audi in Brüssel, Coca-Cola in Antwerpen und ArcellorMittal in Gent. Laut dem flämischen Arbeitgeberverband Voka sind die Abläufe in einigen Industriebetrieben deutlich gestört, insgesamt gebe es aber keine oder nur sehr begrenzte Auswirkungen des Streikaufrufs. Vor allem im Dienstleistungssektor sei quasi nichts zu spüren, heißt es.
Beim sehr wichtigen Frachtabwickler Brucargo am Brüsseler Flughafen ebenfalls Gewerkschaftsaktivisten. Sie hindern Autos und Lkws aber nicht an der Ein- und Ausfahrt. Über Brucargo läuft beispielsweise der Transport der Corona-Impfstoffe. Man sei doch nicht so verrückt, in diesen Corona-Zeiten den Frachtknotenpunkt zu blockieren, erklärte dazu Sandra Langenus von der sozialistischen Gewerkschaft. Man wisse was man tue und informiere die Menschen nur.
Verkehrsbehinderungen
Durchschnittlich nur 20 bis 30 Prozent der üblichen Busse und Trams von De Lijn am Morgen in Flandern, in Antwerpen sogar nur zehn Prozent. Im Bereich Lüttich-Verviers brach das TEC-Netz effektiv zusammen, im Hennegau, Namur und Charleroi waren ebenfalls schwere Behinderungen zu verzeichnen.
In den Provinzen Wallonisch-Brabant und Luxemburg rollten hingegen die meisten öffentlichen Verkehrsmittel. In Brüssel kam es bei der STIB ebenfalls zu sehr starken Einschränkungen, am meisten bei den Metro- und Buslinien.
Bei der Bahn fahren aufgrund des Minimaldienstes rund die Hälfte der Züge. Mit deutlichen Einschränkungen ist je nach Verbindung also ebenfalls zu rechnen.
Streit um die Lohnmarge
Der Streit zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften dreht sich um die sogenannte Lohnmarge im Privatsektor. Die legt fest, um wie viel die Löhne nach der Indexerhöhung noch zusätzlich steigen dürfen. Für die kommenden zwei Jahre, also für 2021-2022, sind das magere 0,4 Prozent. Das hat der Zentrale Wirtschaftsrat im Januar errechnet als Rahmen für die sogenannte Lohnnorm. Als Grundlage für diese Berechnung wird die Lohnentwicklung in den Nachbarländern herangezogen. Und der Zentrale Wirtschaftsrat sagt eben, dass mehr als 0,4 Prozent zusätzlich zu den Indexsteigerungen die Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Unternehmen gefährden würde.
Dieser Bericht dient als Grundlage für die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern für das nächste zweijährige überberufliche Abkommen (AIP). Diese Verhandlungen sind aber vollkommen festgefahren, die Arbeitgeber beharren auf den 0,4 Prozent, die Arbeitnehmervertreter lehnen das als Almosen rundheraus ab. Deswegen am Montag eben der Aktionstag der Gewerkschaften.
Mit diesen angebotenen 0,4 Prozent könne man keine guten Verhandlungen führen, die den Menschen eine Perspektive auf eine höhere Kaufkraft gäben, erklärte Marc Leemans von der christlichen Gewerkschaft am Morgen bei Radio Eén. Als konkretes Beispiel führt er die Supermarktkette Colruyt an. Die hat ihren Angestellten schon einen Tag Zusatzurlaub gegeben. Wenn man das umrechne, dann entspräche das bereits einer Lohnsteigerung von 0,5 Prozent zusätzlich zur Indexierung. Oder anders ausgedrückt: Man müsse nach der aktuellen Lohnnorm den Betroffenen sagen, dass sie ihre maximale Steigerung schon bekommen hätten. Und dass es sonst die nächsten zwei Jahre nichts mehr geben werde, so Leemans.
Den CSC-Vorsitzenden stört vor allem, dass es keine Flexibilität mehr gibt für die Sozialpartner bei Lohnverhandlungen. Seit einer Anpassung 2017 durch die Regierung Michel sei man hier in ein Korsett gequetscht. Außerdem würden die entsprechenden Berechnungen des Zentralen Wirtschaftsrates nicht alle Faktoren korrekt berücksichtigen. Und auch wenn man generell Streiks vermeiden wolle, so sei das seit besagter Änderung der Lohnnorm 2017 unmöglich geworden, so Leemans.
Stück vom Kuchen
Man wolle, dass Menschen ein Stück vom Kuchen abbekämen, die in Betrieben arbeiteten, denen es trotz beziehungsweise in manchen Fällen gerade wegen der Corona-Krise gut gehe, erklärte auch Hans Elsen von der CSC. Als Beispiel führt er den Paketdienst DHL an. Der habe 40 Prozent mehr Umsatz gemacht und weltweit mehr als fünf Milliarden Euro Gewinn. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Arbeiter hier mit 0,4 Prozent mehr Lohn abgespeist würden.
Diese Differenzierung zwischen Betrieben, die schwer von der Krise in Mitleidenschaft gezogen worden sind, und Betrieben, die in der Krise glänzende Geschäfte machen, ist den Gewerkschaften sehr wichtig. Und sie heben auch hervor, dass die belgischen börsennotierten Unternehmen im letzten Jahr ihren Aktionären satte 19 Prozent höhere Dividenden ausbezahlt haben. Von einer allgemeinen Wirtschaftskrise, die alle den Gürtel enger schnallen lassen müsse, könne also keine Rede sein, so der Tenor.
"Unglaublich zynisch"
Die Unternehmer sehen das wenig überraschend ganz anders. Der flämische Unternehmerverband Unizo bezeichnet die Streiks als "unglaublich zynisch". Man könne nur hoffen, dass die Gewerkschaften wie Kinder seien, die, nachdem sie sich an der frischen Luft ausgetobt hätten, wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren würden, so Unizo.
"Unangemessen und weltfremd", ärgert sich auch der Geschäftsführer des Belgischen Unternehmerverbands (FEB), Pieter Timmermans. Kein anderes Land als Belgien würde auf die Idee kommen, mitten in der Corona-Krise zu streiken. Niemand sonst würde gegen eine effektive Lohnsteigerung von 3,2 Prozent protestieren nachdem die Wirtschaft im letzten Jahr um 6,5 Prozent geschrumpft sei. Er frage sich, wem der Streik nutze. Weder den Arbeitnehmern noch den Unternehmen - und sicher auch nicht denjenigen, die jetzt in Gefahr seien, ihre Jobs zu verlieren, so Timmermans.
Boris Schmidt