Es ist sonnig und für Mitte Februar verhältnismäßig warm an diesem Aschermittwoch des Jahres 1961. Keine Wetterbedingungen, die Probleme erwarten lassen. Flug 548 der Sabena, eine Boeing 707-329 Intercontinental, ist auf dem Weg von New York nach Brüssel. Wobei die Maschine eigentlich schon so gut wie am Ziel ist. Der ganze lange Flug über den Atlantik ist ohne Zwischenfälle verlaufen. Eigentlich hätte Sabena 548 um diese Zeit schon landen sollen. Aber weil ein kleineres Flugzeug die Landebahn nicht rechtzeitig geräumt hat, muss der erste Landeanflug abgebrochen worden. In Vorbereitung auf einen neuen Versuch dreht die Boeing 707 einige Warteschleifen. Als sie das Okay für die Landung von den Fluglotsen im Tower in Zaventem bekommt, funkt der erfahrene Bordkommandant zurück: "Prima, ich habe die Landebahn in Sicht." Aber dann geht irgendetwas katastrophal schief.
Von ihrem Turm in rund zwei Kilometern Entfernung sehen die Fluglotsen in Zaventem, dass die Sabena-Passagiermaschine das ausgefahrene Fahrwerk wieder einzieht. Das Flugzeug versucht, an Höhe zu gewinnen und beginnt auch zunächst zu steigen. Aber dann fällt Sabena 548 plötzlich wie ein Stein vom Himmel und explodiert in einem riesigen Feuerball.
Die Absturzstelle befindet sich in einem Chicorée-Feld in 't Lemmeken, einem Ortsteil von Berg bei Kampenhout, nordöstlich des Flughafens. Sie bietet ein Bild der Verwüstung, als die ersten Rettungskräfte eintreffen. Das Cockpit hat sich metertief in die Erde gebohrt, in Birnenbäumen und im Acker hängen und liegen überall teils brennende Flugzeugtrümmer. Und überall Leichen - viele noch immer angeschnallt in ihren Sitzen. In der vorgeschriebenen Sicherheitsposition, die sie noch vor dem Tod eingenommen hatten. Andere wurden bei dem Crash aus der Maschine geschleudert und liegen zwischen den verbogenen Metallteilen auf dem Feld.
Es ist offensichtlich, dass niemand diesen Absturz überlebt haben kann. Auch Premierminister Gaston Eyskens, der wie König Baudouin und Königin Fabiola, an die Unglücksstelle geeilt ist, lässt keinen Zweifel daran. Es gebe nicht die geringste Hoffnung, noch Verletzte oder Überlebende zu finden, so Eyskens am Ort der Katastrophe. Er teilt dem entsetzten Land auch die grimmige vorläufige Bilanz der Tragödie mit. 72 Menschen an Bord der Boeing seien gestorben, zehn davon gehörten zur Besatzung. Eine Person sei am Boden von Trümmerteilen getötet worden, eine weitere verletzt worden. Das ganze Land trauere mit der Sabena und um die vielen Passagiere, die so unerwartet aus dem Leben gerissen worden seien, zeigte sich der Premier tief betroffen.
Bei den Opfern am Boden handelt es sich um Bauern, die nichtsahnend beim Chicorée-Pflücken auf dem Feld waren. Einer ist auf der Stelle tot, der andere verliert durch umherfliegende Trümmer sein Bein. Zu den 72 Menschen, die an Bord des Flugzeugs sterben, gehören neben letztlich elf Besatzungsmitgliedern 61 Passagiere. Darunter befindet sich auch das gesamte Eiskunstlauf-Nationalteam der Vereinigten Staaten. Zu den eigentlichen Sportlern kommen noch Trainer, Offizielle, Preis- und Schiedsrichter und Angehörige. Sie alle waren auf dem Weg nach Prag. Brüssel sollte nur eine Zwischenlandung sein. In der damaligen tschechoslowakischen Hauptstadt sollte die Weltmeisterschaft im Eiskunstlauf stattfinden. Sie wird aufgrund der Tragödie bei Zaventem abgesagt.
Die Katastrophe von Sabena-Flug 548 ist der erste Absturz einer Boeing 707 im regulären Personenverkehr. Die Absturzursache wird nie abschließend geklärt. Die Maschine war erst genau ein Jahr vor dem Unfall in Dienst gestellt worden. Ein Untersuchungsbericht kam zu dem Schluss, dass es möglicherweise Materialermüdung im Bereich der Steuerflächen war, die das Unglück verursacht hat.
Anlässlich des Jahrestags ist am Montag in Kampenhout ein neues Denkmal an die Flugzeugkatastrophe enthüllt worden - corona-bedingt in kleinstem Rahmen. Zwar gab es an dieser Stelle bereits zuvor eine Gedenktafel. Aber erst jetzt, 60 Jahre später, sind alle Opfer auch namentlich aufgeführt.
Boris Schmidt