Die europäischen Börsen hatten am Montag ihren schlechtesten Tag in drei Monaten. Der belgische Bel20-Index etwa stürzte um 4,2 Prozentpunkte ab. Das hat zum Teil mit der Angst vor einer erneuten Verschärfung der Coronavirus-Schutzmaßnahmen und der Geldpolitik zu tun.
Ein anderer entscheidender Faktor, der vor allem Bank-Aktien in die roten Zahlen rutschen ließ, trägt den kryptischen Namen FinCEN Files. Das sind geleakte interne geheime Dokumente der Kontrollbehörde des amerikanischen Finanzministeriums, dem Financial Crimes Enforcement Network, kurz eben FinCEN.
Über 2.100 Dateien sind es, die zunächst beim US-Onlinemedium "Buzzfeed News" gelandet waren. Das wiederum stellte die Dokumente zur Auswertung dem Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) zur Verfügung. Sechzehn Monate lang haben 400 Journalisten aus 88 Ländern, darunter von Le Soir, De Tijd und Knack, die Daten analysiert.
Aber worum geht es in den sogenannten FinCEN Files überhaupt? Kurz gesagt: um schmutziges Geld, also Geld verdächtiger Herkunft. Das wurde von den Banken so lange rund um die Welt geschickt, bis nicht mehr nachvollziehbar war, woher es eigentlich kam. Das schmutzige Geld war danach also "sauber".
Die Zahlen, um die es geht, die sind schon schwindelerregend. Über zwei Billionen US-Dollar verdächtigen Ursprungs konnten die Journalisten in den Dokumenten aufspüren. Die meisten Geldströme betreffen den Zeitraum 2011 bis 2017. Es geht um Geld, das unter anderem mit der organisierten Kriminalität, Steuerhinterziehung, Korruption und Schmiergeldern in Verbindung gebracht wird. Und um Personen zum Beispiel aus dem Umkreis von Drogenkartellen, Diktatoren oder anderen Regimen. Immer wieder tauchen dabei Strohfirmen und exotische Steuerparadiese auf.
In den Dokumenten werden auch belgische Banken genannt, wie der an der Untersuchung beteiligte De Tijd-Journalist Lars Bové in der VRT erklärte. Alle belgischen Großbanken seien betroffen. In 365 der 2.100 verfügbaren Dokumente taucht das Wort "Belgien" auf. Und sowohl ING, KBC, Belfius und auch BNP Paribas Fortis würden erwähnt, zum Teil im Zusammenhang mit erheblichen Summen.
In einem extremen Fall sei auf einen Schlag über eine halbe Milliarde von einem belgischen Konto über die Britischen Jungferninseln weitertransferiert worden, so Bové. An das US-Finanzministerium gemeldet hat diese verdächtige Transaktion aber nicht etwa die betroffene belgische Bank, sondern eine Bank, die weiter hinten in der Überweisungskette stand.
In einem anderen Fall führt die belgische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Angehörige der venezolanischen Regierungselite. Hier soll es um unterschlagene Gelder gehen, die eigentlich für ein Nahrungsmittelprogramm in dem südamerikanischen Land gedacht waren, wo viele Menschen an Hunger leiden. Das Geld floss aber stattdessen an asiatische Offshore-Firmen. Und zwar über Belgien.
Aus der Auswertung der FinCEN-Dokumente müsse man den Schluss ziehen, dass noch viel zu viele verdächtige Geldströme von den Banken gewaschen würden. Auch in Belgien, so Bové. Und die Banken hätten Verpflichtungen beim Kampf gegen die Geldwäsche. Sie könnten nicht einfach verdächtige Gelder durchströmen lassen. Sie müssten wissen, wen sie da eigentlich als Kunden hätten.
Aber die belgischen Banken täten offenbar nicht genug. Das würden sowohl die Nationalbank, als auch die Anti-Geldwäsche-Zelle bestätigen, so Bové. Hier ginge es um Milliardensummen. Die Banken seien zwar nicht untätig. Aber man müsse feststellen, dass in einem von fünf Fällen Briefkastenfirmen nur auf den Britischen Jungferninseln auftauchten. Damit sei es sehr schwierig, herauszufinden, woher das Geld denn käme. Und wenn die Banken solche Gelder passieren ließen oder erst Jahre später eine entsprechende Meldung an die Finanzbehörden machten, dann sei das Kind schon in den Brunnen gefallen.
Andere Banken beschränkten sich darauf, Informationen über verdächtige Kunden einfach selbst per Internetsuchmaschine einzuholen, selbst wenn es um mehrere Millionen gehe, schreibt Le Soir. Oder sie meldeten die Fälle erst dann den Behörden, wenn der Name einer Person oder einer Firma in kritischen Medienberichten auftauche. Stattdessen müsse man im Augenblick der Transaktion wachsam sein und den Transfer verhindern, fordert Bové.
Boris Schmidt