Zwölf Jahre ist die Fortis-Affäre her. 2008 verloren Tausende Sparer und Anleger viel Geld, weil sie in Fortis-Aktien investiert hatten. Diese waren quasi nichts mehr wert, weil sich die Fortis-Manager verzockt hatten. Die Übernahme der niederländischen Bank ABN-Amro konnte sich Fortis eigentlich nicht leisten.
In der Finanzkrise 2008 stürzte die Fortis-Aktie ab, das Kartenhaus brach zusammen. Fortis wurde abgewickelt und an BNP Paribas verscherbelt. Der damalige Premier Yves Leterme musste in der Folge zurücktreten. Seit Freitag ist klar: Zu einem Prozess gegen die Verantwortlichen des Desasters kommt es nicht.
Gerade einmal 20 Sekunden dauerte die Meldung am vergangenen Freitag in den Nachrichten der VRT. Mehr Aufmerksamkeit gab es nicht dafür, dass die ehemaligen Fortis-Manager juristisch nicht verfolgt werden. Der Grund: Die Taten sind verjährt.
"Wir werden nie erfahren, ob es tatsächlich zu Straftaten gekommen ist"
Das brachte Isabel Albers in Rage. Die Chefredakteurin der flämischen Wirtschaftszeitung De Tijd ist empört: "Einer der größten belgischen Finanzskandale der letzten 25 Jahre hätte etwas mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt."
Zur Erinnerung. Sieben ehemalige Top-Manager der Fortis-Gruppe und Fortis-Bank waren beschuldigt, 2007 und 2008 Anleger nicht ausreichend über die tatsächliche finanzielle Situation bei der Bank informiert zu haben. Darunter waren der ehemalige Fortis-Verwaltungsratspräsident Maurice Lippens und Fortis-Chef Jean-Paul Votron.
Der Verdacht: Urkundenfälschung, Betrug und Verstöße gegen das Finanzaufsichtsgesetz. Letzte Woche erklärte die Brüsseler Ratskammer, dass die Taten verjährt sind. "Jetzt werden wir nie erfahren, ob es tatsächlich zu Straftaten gekommen ist", erklärt Isabel Albers.
Aber die Journalistin ist weniger darüber empört, was damals passiert ist, sondern vor allem über das Versagen der Justiz: Nach zwölf Jahren sei der Fall nicht mal über die Ratskammer hinausgekommen. "Und das ist kein Einzelfall", so Albers. In großen Finanzfällen führten die Ermittlungen nur selten zu einem Ergebnis.
Albers erinnert an den Fall Lernout & Hauspie 2001. Das flämische Unternehmen, spezialisiert in Sprecherkennungssysteme, hatte seine Bilanzen gefälscht. Die Verantwortlichen wurden zwar strafrechtlich verurteilt. Der Zivilprozess hat aber immer noch nicht begonnen. "Er musste dieses Jahr wegen der Coronakrise verschoben werden. 20 Jahre später!", muss Isabel Albers empört feststellen.
Auch der Prozess im Dioxin-Skandal von 1999 ist immer noch nicht abgeschlossen, erzählt Albers weiter. Für sie gibt es auch mehrere Erklärungen dafür. Einer ist, dass die Justiz sich in ihrer eigenen Organisation verstrickt hat. Ein anderer Grund ist, dass es viele Möglichkeiten gibt, den Prozess zu verzögern. "Finanzfälle hat die Justiz auf Dauer nicht im Griff", so das Fazit der Journalistin.
Großer Schaden, auch und gerade für die Justiz
Der Fortis-Skandal hat viele Schäden verursacht. Zum einen bei den Sparern und Kleinanlegern. Dann politisch, mit dem Rücktritt von Premier Leterme. Und schließlich auch wirtschaftlich. Denn mit Fortis verlor Belgien seine größte Bank an die Franzosen. "Aber den größten Schaden, den trägt die Justiz davon", sagt Isabel Albers.
"Wenn man es in einem demokratischen Rechtsstaat nicht mehr hinbekommt, in einer angemessenen Zeit Recht zu sprechen, dann muss man sich doch schon ernsthafte Fragen stellen." Albers nimmt da die Politik in die Pflicht.
Nur: Nach 470 Tagen Regierungsverhandlungen habe sie noch kaum etwas über das Thema Justiz gehört. "Aber", so Isabel Albers optimistisch, "vor zehn, fünfzehn Jahren waren die Beschwerden über das Finanzministerium ähnlich. Und selbst dieser Koloss hat es schlussendlich auch geschafft, im 21. Jahrhundert anzukommen."
Volker Krings